Unredlich
Georg Thanscheidt, Vize-Chefredakteur der Abendzeitung, über den Fall Guttenberg und die Rolle der Medien
Karl-Theodor zu Guttenberg ist ein bemerkenswerter Politiker: Im Laufe seiner Karriere hat er Wähler wie Parteifreunde durch Geradlinigkeit, Eloquenz und Charisma überzeugt. Auch im Tagesgeschäft war er erfolgreich - wie er die Bundeswehrreform durchgesetzt hat, bleibt beeindruckend. Zu Recht hat er es so zum beliebtesten Politiker der Republik geschafft. Ihm trauen die Menschen – und sie trauen ihm auch höchste Ämter wie das des Bundeskanzlers oder des Ministerpräsidenten zu.
Guttenberg war ein Politiker wie ihn sich die Deutschen wünschen. Und an diesem Wunschbild halten die Menschen weiter fest – obwohl es sich im Lichte der immer zahlreicher zu Tage tretender Fakten immer mehr als Zerrbild erweist: Mutmaßliche Fehleinschätzungen – die, wie im Fall Gorch Fock oder Kundus-Luftschlag, seine Mitarbeiter ausbaden mussten – sind das eine. Die Unwahrheit zu sagen und sich einen Doktortitel zusammenzuschummeln etwas ganz anderes – hier ließ Guttenberg jede Geradlinigkeit und Aufrichtigkeit vermissen.
Geradlinigkeit und Aufrichtigkeit ließ Guttenberg vermissen
Wie gehen die Medien damit um? Die einen beschreiben Guttenbergs Fehlverhalten und sehen sich dem ungerechtfertigten Vorwurf ausgesetzt, eine (Neid-)Kampagne zu betreiben. Die anderen sehen allein die Beliebtheitswerte des CSU-Politikers, hängen ihr Mäntelchen nach dem Wind und hoffen, dass sie davon politisch wie geschäftlich profitieren können. Das ist genauso unredlich wie das Verhalten dieses einstigen Hoffnungsträgers.