Unmenschlich
Einen heißen Favoriten für das Unwort des Jahres gibt es schon. Der Begriff vom „menschlichen Tsunami“ entstammt der Fantasie von Silvio Berlusconi. Das Wort für die Bootsflüchtlinge spiegelt einen Ungeist, der sich schon lange nicht mehr so schamlos artikuliert hat. Und er zeigt eine erschütternde Menschenverachtung, mit dem europäische Politiker ein humanitäres Problem – keineswegs eine Katastrophe – behandeln. In Paris, in Rom und im Münchner Innenministerium reden sie wie Metzger, die Gammelfleisch nicht losbekommen. Zur Erinnerung: Es geht um Menschen, die in der Not ihr Leben riskieren.
Dabei kann man Fremde ja gut brauchen. Die gleichen Stammtisch-Schwadronierer, die vor „unkontrollierter Zuwanderung und Menschenmassen“ warnen, brauchen womöglich Pflege für die bettlägrige Mutter, Hilfsarbeiter für den Handwerksbetrieb oder Fachkräfte fürs Unternehmen.
Es ist immer wieder das gleiche hässliche Lied. Die Wirtschaft braucht Arbeitskräfte, selbst Leiharbeitsfirmen finden kaum noch Personal. Deshalb begrüßt die deutsche Wirtschaft ja auch die neue EU-Freizügigkeit – im Prinzip. Allerdings: Es kommen nicht nur Arbeitskräfte, es kommen Menschen.
Furcht vor Fremden zu schüren, ist unökonomisch, unverantwortlich und unmenschlich. Dafür sollten sich vor allem jene Politiker schämen, die so demonstrativ ihr christliches Menschenbild im Parteinamen tragen.
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