Unicef kämpft um Existenz

Der Verlust des Spendensiegels ist eine Katastrophe für Unicef Deutschland. Das UN-Kinderhilfswerk unterstützt Millionen notleidende Jungen und Mädchen in aller Welt - und kämpft nun selbst ums Überleben.
von  Abendzeitung

Der Verlust des Spendensiegels ist eine Katastrophe für Unicef Deutschland. Das UN-Kinderhilfswerk unterstützt Millionen notleidende Jungen und Mädchen in aller Welt - und kämpft nun selbst ums Überleben.

Die Nachricht schlug ein wie eine Bombe. Mit dem Verlust des Spendensiegels geht das deutsche Unicef-Komitee nach wochenlanger Krise noch weiter in die Knie. Das Deutsche Zentralinstitut für soziale Fragen (DZI) hat die «absolute Notbremse gezogen», wie DZI-Geschäftsführer Burkhard Wilke betont.

Die Unicef-Spitze hat «wahrheitswidrige» Angaben über Provisionszahlungen an Spenden-Vermittler gemacht - so lautet der zentrale Vorwurf. Außerdem ist gegen den Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit verstoßen worden. Seit 2005 wurden die Zahlungen nicht in den jährlichen Prüfungs-Fragebögen angegeben.

10.000 Spender bereits abgesprungen

Die Hiobsbotschaft ist nicht nur für Unicef erdrückend, sondern könnte auch anderen Hilfsorganisationen schaden. Zwar verliert Unicef mit Aberkennung des Prüfzeichens nicht seine Gemeinnützigkeit, die Außenwirkung ist aber fatal. Vor allem Großspender, die in den vergangenen Wochen offen darüber nachgedacht hatten, ihr Unicef-Engagement auf den Prüfstand zu stellen, sind jetzt noch schwerer bei der Stange zu halten. Von 200.000 regelmäßigen Spendern sind zudem bereits gut fünf Prozent abgesprungen. Ehrenamtliche Unicef-Gruppen zeigten sich «verunsichert und ratlos» und appellierten in einem offenen Brief an die Bevölkerung, Unicef weiter zu vertrauen und zu unterstützen.

Andere Organisationen sind besorgt

Auch andere Organisationen beobachten den Fall besorgt. «Wir haben zwar momentan keine dramatische Entwicklung, aber wenn das so weitergeht mit den Negativberichten über Unicef, könnte das der Spendenbereitschaft generell schaden», sagt Michael Heuer als Sprecher von terre des hommes. «Wenn Hilfsorganisationen ins Gerede kommen, ist das immer schlecht, dann trifft das auch die, die ein Spendensiegel haben.» Verunsicherte Anfragen gehen bei der Kindernothilfe ein. «Wir haben viele besorgte Anrufe - die Leute wollen wissen: «Wie läuft es denn bei Euch mit Transparenz und Kontrolle?»», sagt ein Sprecher.

Unicef versucht die Flucht nach vorn, verspricht Besserung, Reformen und mehr Transparenz - und beteuert, aus den angeprangerten Fehlern bereits gelernt zu haben. Man werde bei nächster Möglichkeit das Spendensiegel erneut beantragen, sagt Interimschef Reinhard Schlagintweit unbeirrt trotz des K.o.-Schlags. Allgemein war «nur» mit einem blauen Auge gerechnet worden, also einigen DIZ- Auflagen. Unicef ist nach vielen Vorwürfen, staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen und Rücktritten ohnehin schon schwer angeschlagen.

Unicef gibt sich kampfbereit

Dennoch will Unicef nichts von einem Aus wissen, sondern gibt sich kampfbereit. Man werde «mit allen Kräften an die Reform unserer Arbeit und unserer Strukturen gehen», betont Schlagintweit, der bis April im Amt bleiben will - wenn Unicef Deutschland eine neue Spitze wählt. «Wir tun alles dafür, dass solche Fehler in Zukunft nicht mehr vorkommen.» Die nächste Gelegenheit, sich erneut um ein Siegel zu bewerben, besteht für das Kinderhilfswerk erst für das Jahr 2010, so Wilke. «Es muss ein vollständiges, abgeschlossen Geschäftsjahr 2009 dazwischen liegen.»

Das Krisenmanagement bei Unicef habe in den vergangenen Wochen klar versagt, kritisiert der DZI-Geschäftsführer. Leitungs- und Aufsichtsstrukturen müssten umfassend modernisiert werden. Das DZI verschärft auch seine eigenen Vergabe-Kriterien als Folge der Mängel bei Unicef. Unter anderem soll es zur Zulässigkeit von Provisionen genauere Vorschriften geben und Verträge mit externen Dienstleistern müssen dem DZI künftig immer angezeigt werden. Das Spendensiegel hat keine rechtliche oder steuerliche Bedeutung, ist aber als «unabhängiges Zeichen für Vertrauen» von erheblicher Bedeutung, betont Wilke. «Unicef hat aber auch glaubhafte Reformvorschläge auf den Tisch gelegt und verdient eine neue Chance.» (dpa)

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