Ukraine: Drohen jetzt Bürgerkrieg und Spaltung?

Nach der blutigen Nacht mit 26 Toten reagiert der Westen entsetzt. Wie es jetzt weitergehen könnte und was Sanktionen bringen.
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Wie im Krieg: Ein Bild des verwüsteten Maidan am Tag nach der blutigen Krawall-Nacht.
dpa Wie im Krieg: Ein Bild des verwüsteten Maidan am Tag nach der blutigen Krawall-Nacht.

In der Ukraine sterben mindestens 26 Menschen. Warum die EU sich mit der Vermittlung so schwer tut und welche Rolle Putin dabei spielt.

Kiew -  Die Lage in der Ukraine ist verfahren. Das Land wird zerrieben zwischen zwei Blöcken. Und alle fragen sich: Wo ist der Ausweg?

Bringen Sanktionen etwas?

Lange hat die EU gezögert, die blutige Nacht zum Dienstag hat endlich Bewegung gebracht: Die EU will Sanktionen. Konkret sollen die EU-Konten der Regierungsmitglieder in Kiew eingefroren werden.

Das hält Peter Hilkes, Ukraine-Experte am Institut für Slawische Philologie der LMU München, für eine gute Idee: „Präsident Janukowitsch und viele Mitglieder der Regierung haben Geld in der EU angelegt. Der Machterhalt dieser Menschen wird auch dadurch zementiert, dass sie ihr Geld nicht verlieren wollen.“ Wenn man ihre Konten einfröre, hält er Zugeständnisse für „durchaus möglich“.

Russland gewährt der Ukraine zwar immer wieder Finanzspritzen. Erst im Dezember hatte Moskau versprochen, für 15 Milliarden Dollar ukrainische Staatsanleihen zu kaufen. Doch auf Dauer wird das wohl nicht reichen. Schon jetzt schadet der Konflikt der Wirtschaft des Landes massiv. Versicherungen gegen einen Ausfall ukrainischer Staatsanleihen haben sich am Mittwoch sprunghaft verteuert, auch die Zinsen schossen in die Höhe. Für westliche Investoren verliert das Land an Attraktivität, der Schuldenberg der Ukraine wächst und wächst – auch wegen der Milliardenforderungen Russlands für Gaslieferungen.

Kann Europa in dem Konflikt überhaupt etwas bewirken?

Europa hat in Sachen Ukraine lange nicht mit einer Stimme gesprochen. Außerdem wird die EU als parteiisch wahrgenommen, weil sie selbst ein Assoziierungsabkommen mit der Ukraine will. Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder, der sogar kurz als Vermittler ins Gespräch gebracht worden war, sagte: „Europa hat sich auf eine Seite geschlagen.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht sich für die neutrale Schweiz als Vermittlerin aus. Schröder bringt die Vereinten Nationen ins Spiel. Nach Ansicht des Ukraine-Experten Hilkes muss es einen Runden Tisch mit allen Akteuren geben.

Welche Rolle spielt Putin?

Eine große. Die Ukraine ist in einem ungesund hohen Maß von den Erdgaslieferungen Russlands abhängig. Weil die Ukraine das Durchgangsland für die russischen Gaspipelines nach Westen ist, will Moskau den Einfluss auf Kiew nicht abgeben. Putin will darüber hinaus ein geostrategisches Machtzentrum gegen die EU aufbauen.

Aus einer bereits gegründeten Zollunion mit Kasachstan und Weißrussland will er langfristig eine Art Euroasische Union machen – mit der Ukraine und anderen Ex-Sowjetrepubliken.

Wer sind die Demonstranten?

Man dürfe sie nicht mit den Oppositionsparteien in einen Topf werfen, warnt Ukraine-Experte Peter Hilkes: Die Demonstrationen auf dem Maidan würden von einer sehr breiten Basis der Bevölkerung unterstützt. „Das sind Menschen, die sehr bewusst für eine Zukunft in Europa demonstrieren. Sie haben Verwandtschaft hier, sind teilweise auch selbst schon nach Westeuropa gereist. Sie informieren sich über das Internet, die sozialen Netzwerke. Es wird immer von einer Annäherung der Ukraine an Europa geredet. Aber diese Menschen sind im Denken längst europäisch. Sie wissen genau, was Europa bedeutet, und dafür demonstrieren sie.“

Warum ist die Opposition so schwach?

Die Partei von Witali Klitschko (Udar) ist erst sehr kurz im Parlament, Klitschko hat wenig Erfahrung. Die anderen Oppositionspolitiker waren früher selbst in Regierungsämtern, deshalb werden sie „als Teil des Establishments wahrgenommen, man misstraut ihnen“, sagt Hilkes.

Droht die Spaltung des Landes?

Lesen Sie hier: Neue Eskalation droht - "Anti-Terror-Einsatz" angekündigt

"Ich sehe im Moment keine Spaltung der Ukraine, und möchte diese auch nicht herbeireden. Das Land ist viel heterogener, als im Allgemeinen dargestellt wird", sagt Hilkes. Nach Ansicht des Experten verläuft die Spaltung weniger geografisch als vertikal, in „die da oben, wir da unten“. Eine Entspannung kann es nach Ansicht Hilkes’ nur geben, wenn Janukowitsch zurücktritt und die Verfassung von 2004 wieder in Kraft setzt, die dem Parlament mehr Rechte einräumt. „Wenn er das nicht tut, droht eine Lage wie in Weißrussland.“ – Eine Diktatur. „Entscheidend ist, dass die Gewalt aufhört und die Ukraine nicht in einen Bürgerkrieg abrutscht.“

 

 

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