Ukraine: Die Revolte gerät außer Kontrolle

Oppositionsführer Vitali Klitschko verliert an Rückhalt. Die Regierung ist ratlos. Wird eine internationale Vermittlung nötig?
Anja Timmermann |
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Bei eisig kalten Temperaturen wärmen sich die Demonstranten in Kiew an Feuern - oder besetzen eben Regierungsgebäude.
dpa Bei eisig kalten Temperaturen wärmen sich die Demonstranten in Kiew an Feuern - oder besetzen eben Regierungsgebäude.

Immer mehr offizielle Gebäude sind in der Hand der Oppositionellen. Für die Regierung Janukowitsch wird es immer enger

Kiew - Die Lage in der Ukraine eskaliert immer weiter: Die pro-russische Regierung Janukowitsch verliert zusehends die Kontrolle über das Land. Aber auch das Lager der Aufständischen spaltet sich immer mehr. Die Gruppe der Radikalen, die auf friedliche Anführer wie Vitali Klitschko längst nicht mehr hören, wird jeden Tag größer. Große Teile der Innenstadt sind in der Hand der Oppositionellen.

Sie sichern ihre Gebiete mit professionellen Barrikaden, haben sich mit Knüppeln und Gasmasken bewaffnet. Um ihren Einfluss auszudehnen, aber auch, um sich angesichts von Temperaturen von minus 22 Grad Räume zum Schlafen und Aufwärmen zu sichern, besetzen sie immer mehr offizielle Gebäude.

Am Montag eskalierte die Lage rund ums Justizministerium, das am Sonntag ohne Gegenwehr eingenommen wurde. Hausherrin Jelena Lukasch will sich das nicht bieten lassen. Sie will den Nationalen Sicherheitsrat anrufen und denkt laut über die Verhängung des Notstands nach – dann könnte unter anderem auch die Armee gegen die Aufständischen eingesetzt werden.

Vitali Klitschko, einer der Anführer der Opposition, forderte die Besetzer auf, das Ministerium zu räumen – zunächst vergeblich. „Diese Blockade ist Teil unseres Kampfes“, sagt Alexander Daniljuk, Anführer der neuen Bewegung „Spilna sprawa“ (Gemeinsame Sache). Am Nachmittag dann gaben die Aktivisten nach und räumten einen Großteil des Ministeriums.

Vitali Klitschko verliert an Rückhalt

Daniljuk macht aber schon seit Tagen deutlich, dass er von Klitschko und den anderen gemäßigten Oppositionellen nichts mehr hält, sie unentschlossen und feige findet. „Wir brauchen jetzt einen Chef, der uns zum Sieg führt.“ Daniljuks radikale Gruppe erhält immer mehr Zulauf, das spaltet die Opposition noch weiter.

Sie war von Anfang an ein gemischtes Bündnis: hier der liberale, manchmal als zu brav empfundene Klitschko; dann Arsenij Jazenjuk, Statthalter der inhaftierten, aber nicht unumstrittenen Julia Timoschenko und schließlich der lange zurückhaltende Rechtspopulist Oleg Tjagnibok.

Jetzt kommen noch andere dazu, die die Lage eskalieren lassen: viele gewaltbereite Rechte aus Tjagniboks Lager; normale Bürger, die nach Monaten ergebnisloser Proteste viel Wut im Bauch haben; Provakteure im Auftrag der Regierung. Klitschko und Jazenjuk dringen mit ihrem Werben für eine politische Lösung immer weniger durch.

Eine bezeichnende Szene passierte neulich, als Klitschko vor Demonstranten für eine „Lösung ohne Blutvergießen“ warb. Nach ihm kam Tjagnibok auf die Bühne und ließ abstimmen, wer stattdessen für Kampf ist. Es ging halbe-halbe aus. Als Klitschko danach mal wieder schlichten wollte und Aufständische davon abhielt, mit Steinen auf Polizisten zu werfen, sprühten ihn andere Oppositionelle unter Gejohle mit Feuerlöschpulver ein.

„Wir haben die Bewegung nicht mehr unter Kontrolle“, räumt der frühere Boxweltmeister ein. Eine einfache Lösung ist nicht in Sicht. Jetzt hat der Aufstand auch auf die Provinz übergegriffen. 10 von 27 Gebietsverwaltungen des zweitgrößten Lands Europas sind von Demonstranten besetzt.

Notwenig wäre eine Vermittlung von außen, da sind sich Beobachter einig. Doch Teil des Konflikts ist es ja, dass die Ukraine gespalten ist, ob sie sich Richtung EU oder Richtung Russland orientiert.

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