Truppen-Entsendung: "Das ist eine Kriegserklärung"

Ist das noch Säbelrassen oder schon Kriegsgrollen? Die Ukraine mobilisiert ihre Reservisten. Die Angst vor einer Invasion wächst - die Nato warnt.
Matthias Maus |
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Ist das noch Säbelrasseln oder schon Kriegsgrollen? Die Ukraine mobilisiert ihre Reservisten. Die Angst vor einer Invasion wächst - die Nato warnt.

Kiew - „Ich bin überzeugt, dass es zu dem Einmarsch nicht kommt“, sagt der amtierende ukrainische Regierungschef Arseni Jazenjuk: „Denn das würde Krieg bedeuten.“

Für den „Fall einer Aggression" gebe es einen „Aktionsplan", sagte Interimspräsident Alexander Turtschinow. Zuvor hatte das Moskauer Parlament die von Präsident Putin beantragte Entsendung von Truppen in die Ukraine genehmigt. Vorsorglich sei bereits der Schutz der Atomkraftwerke, Flughäfen und weiterer „strategischer Einrichtungen" verstärkt worden, sagte Turtschinow bei einer Rede an die Nation.

Jazenjuk sieht sein Land "am Rande der Katastrophe".In der Ukraine gelte die „Alarmstufe Rot". Der Genehmiging sei „keine Drohung", sondern „eine Kriegserklärung gegen mein Land". „Wenn Präsident Putin der Präsident sein will, der einen Krieg zwischen zwei benachbarten und befreundeten Ländern, zwischen der Ukraine und Russland, begonnen hat, dann ist er von diesem Ziel nur noch ein paar Zentimeter weit entfernt", sagte Jazenjuk. „Wir befinden uns am Rande der Katastrophe".

Der prowestliche Politiker appellierte an den Westen und die internationale Gemeinschaft, sich für die „territoriale Integrität und Einheit" der Ukraine und „gegen einen provozierten militärischen Konflikt" einzusetzen. Putin hatte zur Begründung für seinen Antrag die „außergewöhnliche Lage" in der Ukraine und eine „Bedrohung" für die dort lebenden russischen Staatsbürger genannt. Dem könne er „nicht tatenlos zusehen“.

Auch die Nato ist alarmiert:Sie hat Russland angesichts der Konfrontationslage auf der Krim vorgeworfen, "Frieden und Sicherheit in Europa" zu bedrohen.

Die Regierung in Moskau müsse ihre "militärischen Aktivitäten und Drohungen" gegen die Ukraine beenden, erklärte Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen am Sonntag in Brüssel vor Beratungen der Botschafter der 28 Bündnisstaaten. Diese würden über die Auswirkungen der Krise auf die europäische Sicherheit diskutieren, sagte Rasmussen weiter.

Der neugewählte Regierungschef der russisch dominierten Halbinsel Krim, Sergej Axjonow, hatte zuvor Moskau um „Hilfe bei der Sicherung von Frieden und Ruhe" gebeten. Nach der Entscheidung des Moskauer Parlaments erklärte Putins Sondergesandter im Parlament, Grigori Karasin, die Genehmigung des Truppeneinsatzes noch kein Marschbefehl.

Noch wartet Putin ab, aber seine Parteigänger und russische Hardliner fordern Taten. Auf der Krim haben von Moskau gesteuerte Hilfstruppen bereits Fakten geschaffen. Die Moskau-treue Regionalregierung hat russische Pässe ausgegeben – zunächst an Mitglieder der berüchtigten Berkut-Polizei-Einheiten, die nach den tödliche Schnüssen auf dem Maidan von den Revolutionären aufgelöst wurden.

Die Aktion hat einen doppeltenr Vortei für Moskaul: Es gibt mit einem Schlag  mehr kampferprobte Russen - und noch mehr Landsleute, denen Putin zur Hilfe eilen kann. Ukrainische Soldaten auf der Krim können ihre Kasernen nicht mehr verlassen, oder sind - laut Moskau - zu den russischen Truppen übergelaufen.

In spärlich besuchten Demonstrationen schwenken Bewohner von Sewastopol und der Hauptstadt Simferopol russische Fahnen oder Stander der Schwarzmeer-Flotte. Die ist in Sewastopol stationiert. Niemals würde der Kreml dieses wichtige Machtinstrument dadurch gefährden, dass eine Russland-kritische Regierung hier Einfluss bekommt. Den Hafen der Stadt hat Russland noch für rund 30 Jahre gepachtet.

Nur gelegentlich trauen sich Anhänger der Kiewer Revolution auf der Krim an die Öffentlichkeit, sie sind deutlich in der Minderheit. In den Augen der prorussischen Mehrheit auf der Krim haben in der Hauptstadt „Faschisten“ gesiegt. Die Kreml-treuen Medien bestärken diese Lesart.

Putins Parlamentsermächtigung für die Invasion betrifft nicht nur die Halbinsel im Schwarzen Meer, sondern die gesamte Ukraine. Hardliner fordern bereits, Russland sollen auch in Charkiv und in Donezk intervemieren. Auch diese Regionen im Rohstoff-reichen und industriell geprägten Osten neigen eher zur Russland. Dort kam es am Wochenende zu Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern der Revolution. Auch dies bei Gelegenheit ein willkommener Vorwand für Moskau, um „bedrohten Landsleuten“ zur Hilfe zu eilen.

Unklar sind Putins Motive: Will er die Spaltung des Landes, will er Chaos, oder will er ein Protektorat auf der Krim? Unwahrscheinlich, dass die ukrainische Armee russischen Invasoren ernsthaft widerstehen könnte.

Schon lange ist die Krim zwischen Russen und Ukrainern umstritten. Seit dem Sturz des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch am 22. Februar haben sich die Spannungen verschärft. Am 26. Februar, wenige Tage nach dem Umsturz in der ukrainischen Hauptstadt Kiew geraten auf der Krim Anhänger und Gegner einer Annäherung an Russland aneinander. Tausende Krimtataren demonstrieren gegen eine Abspaltung der autonomen Republik. Prorussische Demonstranten fordern die engere Anbindung an Moskau. Zwei Tage später besetzten bewaffnete prorussische Gruppen den Flughafen der Hauptstadt. Nach ukrainischen Berichten sind auf der Krim russische Militärmaschinen mit rund 2000 Soldaten gelandet. Der moskautreue neue Krim-Regierungschef Sergej Axjonow zieht das Referendum über die Zukunft der Krim auf den 30. März vor.

 

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