Tories und Liberaldemokraten loten Koalition aus
LONDON - Zwei Tage nach der Wahl in Großbritannien haben die konservativen Tories und die Liberaldemokraten eine mögliche Koalition ausgelotet.
Dazu trafen am Samstagabend der Parteichef der Tories und mögliche neue Premierminister, David Cameron, und der Liberale Nick Clegg erstmals auch zu persönlichen Gesprächen zusammen. Das Treffen sei «konstruktiv und freundschaftlich» verlaufen, sagte eine Sprecherin der Konservativen.
Kommt zwischen den beiden Parteien ein Bündnis zustande, sind die Tage von Premierminister Gordon Brown gezählt. Weiter unter Druck geriet der Labour-Chef am Samstag, weil ihn erstmals ein Abgeordneter aus den eigenen Reihen zum Rücktritt aufforderte.
Die Konservativen waren bei der Parlamentswahl am Donnerstag zwar stärkste Partei geworden, hatten aber die absolute Mehrheit verfehlt. Labour musste herbe Verluste einstecken. Aber auch Brown buhlt um die Liberaldemokraten, um in einer Koalition weiter an der Macht zu bleiben. Scheitern die Gespräche zwischen «Lib Dems» und Tories hat Brown den Liberalen schon seine Bereitschaft für eine Koalition deutlich gemacht. Allerdings hätte er auch zusammen mit den Liberalen noch keine absolute Mehrheit.
Zu Problemen zwischen Tories und Liberalen könnte es in der Europapolitik kommen. Die Konservativen sind ganz im Gegensatz zu den Liberalen extrem europaskeptisch und wollen nicht mehr Macht von London nach Brüssel abgeben. Bis es eine Lösung gibt, bleibt Brown Premier. Eine Koalition gab es im Königreich seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie.
Am Sonntagvormittag war ein weiteres Treffen zwischen führenden Politikern der Tories und der Liberalen geplant. Cameron wollte am Montagabend mit seinen Abgeordneten zusammentreffen. Zwar sind die Tories auf eine schnelle Lösung erpicht - auch weil die Finanzmärkte am Montag sensibel auf die unsichere Lage reagieren könnten. Es war jedoch unklar, ob es noch am Wochenende zu einem Deal kommt. Cameron bekräftigte in einer E-Mail an seine Anhänger den Willen, mit den Liberalen zusammenzuarbeiten.
Im Vordergrund der Verhandlungen mit den Liberalen steht die Reform des Wahlsystems, das bislang kleine Parteien benachteiligt. Am Samstag versammelten sich rund 1000 Demonstranten vor der Zentrale der «Lib Dems» und forderten ein faireres Wahlrecht. Die Liberaldemokraten sollten in Verhandlungen mit den Tories und Labour nicht einknicken und an ihren Forderungen festhalten.
Clegg kann bei den Verhandlungen offenbar Partei auf seine Partei zählen. Die Partei «unterstützt voll und ganz» die Gespräche mit den Tories, sagte der Verhandlungsführer der Liberalen, David Laws.
Nach Medienberichten haben auch Brown und Clegg bereits telefoniert. Clegg hielt sich am Samstag alle Optionen offen. Seine Priorität sei eine «grundlegende politische Reform». Er wolle in den «kommenden Stunden und Tagen konstruktiv» vorgehen.
Sowohl Cameron als auch Brown hatten den Liberalen eine Wahlreform in Aussicht gestellt. Die Tories gingen jedoch nicht so weit wie Labour und schlugen nur einen parteiübergreifenden Ausschuss vor. Clegg könnte das zu wenig sein. Die Liberaldemokraten wollen ein Wahlsystem, das die tatsächliche Stimmenanteile besser abbildet als das geltende Mehrheitswahlrecht.
dpa
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