Terror in Norwegen: Blut, Tränen, Panik

Doppelte Terrorattacke in Norwegen: Erst erschüttert eine Bombenexplosion Oslo. Dann folgt eine Schießerei in einem Jugendcamp. Mindestens 17 Menschen sterben.
von  dpa, dapd

Doppelte Terrorattacke in Norwegen: Erst erschüttert eine Bombenexplosion das Zentrum der Hauptstadt Oslo. Dann folgt eine wilde Schießerei in einem Jugendcamp. Viele Menschen sterben. Wer hinter den Anschlägen steckt, ist unklar.

Oslo - Blutiger Terror
mit mindestens 17 Toten und Dutzenden Verletzten in Norwegen: Bei einer Bombenexplosion im Regierungsviertel der Hauptstadt Oslo kamen am Freitag mindestens sieben Menschen ums Leben, 15 weitere wurden verletzt. Wenige Stunden später erschoss ein als Polizist verkleideter Mann in einem sozialdemokratischen Jugend-Ferienlager sogar zehn Menschen. Die Polizei
nahm einen Verdächtigen fest und rief dazu auf, große Menschenansammlungen zu meiden und das Osloer Zentrum zu verlassen.

Die internationale Gemeinschaft zeigte sich erschüttert, auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama verurteilten die Tat. Nach Angaben der Polizei hingen beide Attacken miteinander zusammen. Die Wucht der Detonation im Zentrum Oslos verwüstete mehrere Gebäude, darunter den Sitz von Ministerpräsident Jens Stoltenberg. Der Regierungschef wurde jedoch nicht verletzt.

"Die Situation ist sehr ernst", sagte der 52-jährige Sozialdemokrat in einem TV-Interview - aus Sicherheitsgründen wurde sein Aufenthaltsort geheim gehalten. Bislang war Norwegen von Terroranschlägen verschont geblieben.

Wenige Stunden nach dem Attentat in Oslo kamen bei der Schießerei auf der Insel Utøya in einem See nahe der Hauptstadt nach Angaben von Rettungskräften ebenfalls mehrere Menschen ums Leben. Ein TV-Sender zitierte einen Zeugen, der von 20 Leichen sprach, allerdings gab es dafür keine offizielle Bestätigung. Bei dem fünftägigen Camp sollte auch Ministerpräsident Stoltenberg einen Gastauftritt haben. Ob es sich bei den festgenommenen Mann um einen Norweger handelte, wollten die Ermittler nicht sagen. Die Lage in dem von 560 Mitgliedern der sozialdemokratischen Jugendorganisation AUF besuchten Lager wurde als "chaotisch" beschrieben.

Polizisten einer Anti-Terror-Einheit mit schusssicheren Westen eilten zum Tatort. Laut Medienberichten brach unter den Jugendlichen in dem Lager Panik aus. Mehrere Mädchen und Jungen seien von der Insel aus ins Wasser gesprungen und an Land geschwommen. Die Insel ist rund eine Autostunde von Oslo entfernt.

Über den Hintergrund der Attacken wurde zunächst nichts bekannt. Auch Hinweise auf die Täter gab es anfangs nicht. Der Ministerpräsident sagte, er wolle nicht spekulieren, ob der Einsatz seines Landes in Libyen mit dem Anschlag zusammenhängen könnte. Stoltenberg sagt, auch alle anderen Regierungsmitglieder seien wohlauf. Zugleich kündigte er eine Krisentreffen des Kabinetts an.

Einige Augenzeugen sprachen von einer Autobombe in Oslo, andere von mehreren Explosionen. Die Ermittler bestätigten jedoch lediglich, dass es sich um einen Sprengsatz gehandelt habe, berichtete die Nachrichtenagentur NTB. Auch die Zentrale der Boulevardzeitung "VG" wurde durch die Explosion teilweise zerstört und dann evakuiert.

Ministerpräsident Stoltenberg kündigte eine entschlossene Reaktion der Behörden an. "Wir werden alle verfügbaren Kräfte einsetzen, um uns zu schützen", sagte der Regierungschef am Abend im Fernsehen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich erschüttert: "Mit Entsetzen habe ich von dem schweren Anschlag im Regierungsviertel von Oslo erfahren", hieß es in einer in Berlin veröffentlichten Erklärung. "Die Hintergründe dieser menschenverachtenden Tat sind zu diesem Zeitpunkt noch unklar. Klar ist, dass wir alle, die an Demokratie und friedliches Zusammenleben glauben, solchen Terrorismus, womit auch immer er begründet wird, scharf verurteilen müssen."

US-Präsident Obama rief zu einer stärkeren Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terror auf. "Es ist eine Mahnung, dass die gesamte internationale Gemeinschaft dazu beitragen muss, dass solch ein Terrorakt nicht passiert", sagte Obama in Washington.

In Oslo wurde der Hauptbahnhof geräumt. Auch zwei Einkaufszentren sowie die Büros der Medien "VG", "NTB", "Aftenposten" und der Fernsehsender "TV2" seien evakuiert worden. Dort sei eine verdächtige Tasche gefunden worden. Die Polizei rief auch dazu auf, die Mobiltelefone nicht zu benutzen, weil das Netz überlastet sei.

"Die Leute stehen unter Schock, viele wurden ins Krankenhaus gebracht", sagte der Organist des Osloer Doms, Magne Draagen, der Nachrichtenagentur dpa. Die Zeitung "Dagbladet" berichtete online, die Ermittler gingen davon aus, dass das Öl- und Energieministerium (OED) das Ziel des Attentats gewesen sei. "Es sieht aus, als ob es direkt vor unseren Büros passierte", sagt Håkon Smith-Isaksen vom OED.

Gegen 15.30 Uhr hatte ein großer Knall die Bürger Oslos aufgeschreckt. "Das ganze Gebäude wurde erschüttert, wir glaubten, es sei ein Erdbeben", sagte ein NRK-Reporter, der sich neben dem 17 Stockwerke hohen Regierungsgebäude befand. Das Fernsehen zeigte Bilder von einer völlig zerstörten Hausfassade, aus der Rauch aufstieg. Der Boden war mit Glassplittern zerstörter Fensterscheiben und Trümmerteilen übersät. Mitarbeiter der Tageszeitung "Aftenposten" berichteten von Opfern, die blutend auf der Straße lagen. Bilder der NRK-Homepage zeigten, wie sich Sanitäter um Verletzte auf dem Bürgersteig kümmerten. Rettungskräfte brachten eine Frau in Sicherheit, deren blondes Haar blutverschmiert war. Passanten beugten sich über Verletzte und leisteten ebenfalls Erste Hilfe.

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