Syrien: Entsetzen, Qual und Ratlosigkeit

Experten sind sicher, dass in Syrien Giftgas eingesetzt wurde – Assad verweigert Überprüfung
von  tan

DAMASKUS Dass in der syrischen Stadt Erbin hunderte von Menschen qualvoll an Giftgas gestorben sind, daran gibt es kaum noch Zweifel. Unklar ist aber, wer es eingesetzt hat: Die syrische Regierung verhindert eine Untersuchung. Weltweit herrscht Entsetzen – und Ratlosigkeit.

Die US-Regierung spricht von „starken Hinweisen, dass es eine Attacke mit Chemiewaffen war, ausgehend von der syrischen Regierung“. Ebenso hat der israelische Geheimdienst Erkenntnisse, „dass das syrische Regime Chemiewaffen eingesetzt hat, und dies nicht zum ersten Mal“, so Minister Juval Steinitz.

Auch unabhängige Experten etwa aus der Schweiz und Großbritannien haben keine Zweifel: Das war Giftgas. Sie haben hunderte von Videos und Fotos gesichtet – schon die schiere Masse spricht gegen eine gestellte Aktion. Sie haben die Symptome analysiert: Die Pupillen des Opfers verengen sich, dann rollen sie nach oben. Aus Mund und Nase tritt Schaum aus. Die Haut wird grau. Der Körper beginnt zu zucken, erst stellenweise, dann überall gleichzeitig. „So etwas lässt sich nur schwer simulieren, erst recht nicht von Kindern“, so Stefan Högl, Chemiewaffen-Experte im Schweizerischen Bundesamt für Bevölkerungsschutz, in „Spiegel Online“. Zum gleichen Ergebnis kommt der britische Forscher Alastair Hay. Beide tippen auf Nervengift.

Zwiebelsaft gegen Giftgas

Augenzeugen berichten von grauenvollen Szenen aus Erbin. Menschen hätten alles angezündet, was brennt, um mit dem Rauch das Gas zu neutralisieren, so Abu Ahmad, Apotheker und Stadtrat. Im Krankenhaus hätten Ärzte versucht, die Opfer mit Zwiebelsaft, Knoblauch und kaltem Wasser zu behandeln – mangels anderer Mittel. „Atropin hat in früheren Fällen geholfen, aber wir haben keins mehr“, so Ahmad. Die Zahl der Opfer ist unklar, sie schwankt zwischen 600 und 1300.

Die Einwohner und mehrere Rebellenkomitees forderten die Vereinten Nationen auf, dringend für eine Überprüfung der Berichte zu kommen: Jetzt ist das Giftgas noch in den Opfern nachweisbar.
Die Chemiewaffen-Experten der Uno, die derzeit in Syrien sind, um frühere Vorwürfe zu untersuchen, wären bereit dazu. Doch die Regierung von Baschar al-Assad verweigert den Zugang nach Erbin: Die Lage sei zu gefährlich. In der Tat gab es dort wieder neue Luftangriffe – doch sie werden eben von Assads Armee geflogen. Die französische Regierung warf ihm vor, auf diese Weise absichtlich eine Untersuchung zu verhindern. Moskau, das im Sicherheitsrat eine gemeinsame Erklärung verhindert hat, sagte, Assad sei zur Kooperation bereit. Deutschlands Außenminister Guido Westerwelle und sein türkischer Kollege Ahmet Davutoglu forderten, dass die Uno-Experten sofort Zugang erhalten müssten.

Aber was, wenn sich die Vorwürfe bestätigen? Frankreich fordert eine „Reaktion der Stärke“. Alle anderen, vor allem die USA, zögern.

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