Spuren des Afghanistan-Einsatzes: Baustelle Bundeswehr
Der aktuelle Wehrbericht zeigt: Der Afghanistan-Einsatz hat deutliche Spuren hinterlassen. Immer mehr Soldaten sind traumatisiert, die Technik ist hoffnungslos veraltet, die Führung überfordert.
BERLIN Eine angenehme Lektüre ist er nicht, der 51. Wehrbericht des Wehrbeauftragten Reinhold Robbe. Gestern legte er das 100 Seiten starke Dokument vor. Darin wird deutlich: Der Afghanistan-Einsatz hat bei der Bundeswehr Spuren hinterlassen.
Mediziner-Mangel. Die Truppe hat zu wenig Ärzte. Insgesamt fehlen 600 Soldaten im weißen Kittel, mehr als 120 Militärärzte hätten 2009 gekündigt. Grund: „Die Arbeit ist sowohl finanziell als auch aufgrund der hohen Belastungen zu unattraktiv, vor allem in Afghanistan“, sagt Robbe. Folge: Die Nachbehandlung verwundeter Soldaten sei oft mangelhaft. Robbe wirft dem zuständigen General „klares Versagen“ vor: Inspekteur Kurt-Bernhard Nakath habe es jahrelang laufen lassen und „die Sanität regelrecht vor die Wand gefahren“.
Belastungsstörungen. Immer mehr Soldaten leiden unter der Post-Traumatischen Belastungsstörung (PTBS). 90 Prozent aller PTBS-Kranken hatten zuvor in der ISAF-Truppe gedient. 2009 wurden 466 Soldaten behandelt – fast doppelt so viele wie 2008.
Technische Infrastruktur. Nach wie vor gibt es Mängel an der Ausstattung der Soldaten: Zum Beispiel gibt es viel zu wenig gepanzerte Fahrzeuge, beklagt Robbe. „Die ohnehin angespannte Situation verschärft sich, sobald Fahrzeuge nach Unfällen oder Anschlägen ausfielen, weil für diese Fahrzeuge kein Ersatz verfügbar war.“ Es fehlen Nachtsichtgeräte und Röntgenschürzen. Und: Viele Soldaten würden erst in Afghanistan für den Einsatz auf bestimmten Fahrzeugen geschult – „obwohl ich jahrelang auf diesen Mangel hingewiesen habe“, poltert Robbe. Sein hartes Fazit: „Die Realität in den Streitkräften ist gekennzeichnet durch unübersichtliche Führungsverantwortung, zu viel Bürokratie sowie veraltete Personal- und Materialplanung.“
Rückhalt in der Bevölkerung. Der lässt zu wünschen übrig. Die Soldaten fühlten sich oft nicht wertgeschätzt: „Das Mindeste, was sie verlangen können, ist, dass ihr Einsatz am Hindukusch gewürdigt wird. Sie sind nicht Angehörige einer abstrakten Armee, sie sind Menschen aus der Mitte unserer Gesellschaft.“ Besonders beschäftigt hätte die Soldaten das Bombardement von Kundus: „Ich konnte in den Reihen der Streitkräfte keine einzige Stimme vernehmen, die sich nicht solidarisch zeigte mit Oberst Georg Klein.“ zo
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