Schlimmer als in den düstersten Prognosen
KOPENHAGEN - Apropos Kopenhagen: Wie geht’s eigentlich dem Klima? Die bittere Antwort: Das Tempo der Krise wird schneller
Alle reden vom Klimagipfel – wer kommt, wer wie viel reduziert. Aber wie geht’s eigentlich dem Klima? Die bittere Antwort: Die Entwicklung verläuft viel bedrohlicher als angenommen. „Die Welt hat nur noch ein kleines Fenster, um das Kippen des Klimas zu verhindern“, sagt WWF-Expertin Regine Günther. Besonders gefürchtet sind die Kipp-Effekte, wenn sich ab einer bestimmten Temperatur die negativen Effekte gegenseitig verstärken – und zwar unumkehrbar.
Selbst die pessimistischsten Prognosen aus früheren Jahren werden noch übertroffen. Beispiel Kyoto, der Klima-Gipfel von 1997: Seither ist die Temperatur um 0,4 Grad gestiegen – nichtmal die düstersten Szenarien dort sagten dieses Ausmaß vorher. Seit Kyoto ist der Meeresspiegel um vier Zentimeter gestiegen, ging eine Eisfläche von der Größe Alaskas verloren, schmilzt das Eis mit doppeltem Tempo. „Die Krise beschleunigt sich“, sagt Nobelpreisträger Al Gore. „Wir wissen heute viel mehr als 1997. Aber alle Erkenntnisse sind negativer“, so Eileen Claussen, Präsidentin des Pew Centers für Klimawandel.
Das aktuelle Jahrzehnt ist das wärmste, das es je gab
Und selbst im Vergleich zum großen IPCC-Weltklimabericht von 2007 haben sich die Prognosen nochmal verschlechtert. 26 führende Klimaforscher haben nun eine gemeinsame „Kopenhagen-Diagnose“ vorgelegt. Viele waren Autoren des IPCC-Berichts. Ihr Fazit: „Wo neuere Erkenntnisse die Unsicherheiten in jenem Bericht aufgelöst haben, zeigt sich, dass sich das Klima schneller verändert und empfindlicher ist, als wir angenommen haben.“ Sie gehen nun davon aus, dass der Meeresspiegel bis 2100 um einen Meter ansteigt. 2007 hatten die gleichen Forscher noch mit 58 Zentimetern gerechnet.
Wenn die Emissionen nicht ab 2020 abnehmen, so die „Kopenhagen-Diagnose“, droht ein Temperaturanstieg bis 2100 um bis zu sieben Grad – das aber könnten viele Ökosysteme nicht mehr verkraften. Das aktuelle Jahrzehnt ist das wärmste, das es je gab, wurde gerade gestern bekannt.
Die Angst vor dem Teufelskreis
Viele Experten fürchten den Kontrollverlust: sich selbst verstärkende Teufelskreise. Also: Je wärmer es wird, desto schneller schmilzt das Meereis, desto weniger Sonnenlicht wird ins All zurückreflektiert, desto mehr Wärme wird vom offenen Wasser aufgenommen, desto wärmer wird es – und von vorne. Oder: Je wärmer es wird, desto größere Anteile des Regenwaldes verdorren, desto weniger CO2 kann er aufnehmen, desto stärker ist der Klimawandel.
Am härtesten trifft er die, die am wenigsten dafür können, weil sie am wenigsten CO2 produzieren: die armen Länder. Gestern gab es eine Studie, welche Länder nach Todesopfern am meisten unter dem Klimawandel leiden: Bangladesch, Birma und Honduras. Der deutsche Klima-Experte Hans-Joachim Schellnhuber: „Das ist eine schwere Prüfung unserer Fähigkeit zur Mitmenschlichkeit. Sollten wir nicht wenigstens versuchen, sie zu bestehen?“ tan
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