Schicksalstag für Barack Obama

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WASHINGTON - Es ist das wichtigste Ziel, das sich Barack Obama für die US-Innenpolitik gesetzt hat. Jetzt findet eine dramatische Jagd um jede Stimme vor der Abstimmung über die Gesundheitsreform statt.
Es ist seine größte Schlacht: Für kein anderes Projekt hat US-Präsident Barack Obama mehr gekämpft. Jetzt ist die Stunde der Entscheidung da: Das Abgeordnetenhaus stimmt über seinen Gesundheitsreform ab. Der Ausgang hängt am seidenen Faden – und er wird das Ansehen Obamas mit allen Folgen entscheidend prägen.
Schon der ganze Samstag war Großkampftag: Obama hatte extra seine Asien-Reise platzen lassen, um persönlich schwankende Abgeordnete zu bearbeiten. Es geht um die magische Zahl 216: So viele Stimmen braucht das Projekt für eine Mehrheit.
Nach einem einjährigen erbitterten Kampf hatten die Demokraten am Donnerstag das Finale eingeläutet: Sie stellten den Gesetzentwurf ins Internet. Nach einer 72-Stunden-Frist kann dann darüber abgestimmt werden, dies ist am Sonntagnachmittag Ortszeit. Ein gewagtes Spiel, denn noch ist die Mehrheit nicht sicher.
In dramatischen Krisensitzungen wurde am Wochenende um jede einzelne Stimme gefeilscht. Sechs Demokraten, die bisher gegen das Projekt waren, weil es ihnen teils nicht weit genug, teils zu weit geht, gaben ihre Ablehnung auf. „Es liegt in ihren Händen“, beschwor Obama die Abgeordneten. „Es ist an der Zeit. Lasst uns die Sache zu Ende bringen.“
Am Sonntag gab es optimistische Signale aus der Führung der Demokraten, dass die Mehrheit steht. Dafür sprach auch, dass ein sehr gewagtes Getrickse beim Abstimmungsverfahren fallen gelassen wurde. Dagegen hatten die Republikaner Klage angekündigt. Und offenbar halten es die Demokraten nun nicht mehr für nötig. Ein etwas weniger problematisches, aber auch umstrittenes Procedere wurde aber weiter geplant.
Das Mammut-Projekt kostet knapp eine Billion Dollar und soll 32 Millionen bisher unversicherten Amerikanern Zugang zu einer Krankenversicherung gewähren. Es wird vor allem über höhere Abgaben für Gutverdiener finanziert – was zu seiner Unpopularität beiträgt. Wie es hieß, ging es vor allem noch darum, welcher Demokrat mit Nein stimmen darf, weil sein Wahlkreis bei den Wahlen im Herbst am gefährdetsten ist.
Die Reform wäre die größte seit den 60er Jahren. „Sie hat alles andere in Obamas Amtszeit an den Rand gedrängt“, schreibt die New York Times. Einen Erfolg hat er bitter nötig. Alle anderen Pläne, etwa zu Klimaschutz und Einwanderung, stecken im Kongress fest; außenpolitisch hat er wenig vorzuweisen. Scheitert das Projekt, für das er so gekämpft hat, werden die Republikaner ihren Hohn über den Redenschwinger, der nichts reißt, vervielfachen. Kriegt er es durch, hat er wieder Luft für anderes. Er selbst sagt: Diese Reform sei ihm wichtiger als seine Wiederwahl. tan
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