Saudi-Arabien: Manal al-Sharif: Buchautorin spricht in München
Manal al-Sharif - die 38-Jährige hat jahrelang dafür gekämpft, dass Frauen in Saudi-Arabien Auto fahren dürfen. An diesem Sonntag ist die Buchautorin, die mittlerweile in Sydney lebt, in München zu Gast.
AZ: Frau al-Sharif, spätestens im Juni 2018 dürfen Frauen in Saudi-Arabien legal hinters Steuer. Ein Meilenstein, für den Sie lange gekämpft haben. Wie fühlt sich das für Sie an?
Manal al-Sharif: Ich bin so aufgeregt. Ein Traum ist wahr geworden!
Noch ist das Verbot in Kraft. Wie muss man sich den Alltag vorstellen? Wie kommen Frauen von A nach B?
Es gibt private Fahrer, die wir anstellen können. Diese wohnen dann auch bei uns. Wer sich das nicht leisten kann, ist auf ein gutes Netzwerk von Menschen mit Auto angewiesen. Man fragt zum Beispiel Familienmitglieder, ob sie dich fahren. Genauso nutzen Frauen sehr oft Fahrdienste wie Uber. 80 Prozent der Kunden sind weiblich.
Ziemlich umständlich. Halten sich alle Frauen daran oder haben sie Tricks entwickelt?
Oh ja, es gibt Tricks. Ich kenne zum Beispiel Frauen in den Städten, die sich wie Männer gekleidet haben oder die nur nachts gefahren sind.
Diese Frauen verheimlichen es. Sie dagegen haben sich 2011 aus Protest bewusst beim Autofahren filmen lassen. Wer hat Ihnen überhaupt beigebracht, wie man fährt?
Mein Bruder hat mir einen 30-Minuten-Crashkurs gegeben. Das war 2007. Als ich 2008 in den USA gelebt habe, habe ich das Autofahren zwei Monate lang - zusammen mit 16-Jährigen - gelernt und habe mit 30 Jahren den Führerschein gemacht.
Neun Tage mussten Sie 2011 wegen illegalen Fahrens ins Gefängnis. Wie ist man mit Ihnen umgegangen?
Am Anfang war es wirklich furchtbar. Sie durchsuchten mich und nahmen mir die Kleidung weg. Eine Woche lang durfte ich nicht mit meiner Familie oder mit meinem Anwalt sprechen. Als meine Geschichte international bekannt wurde, behandelten sie mich besser. Dann durfte ich meine Familie einmal am Tag anrufen.
Hat Sie der weltweite Protest gerettet?
Normalerweise schicken sie dich ohne Prozess ins Gefängnis und so, dass es keiner mitbekommt. Das heißt, man kann sehr, sehr lange im Gefängnis sitzen. Als ich verhaftet wurde, war eine CNN-Reporterin vor meinem Haus. Ich habe sie gebeten, über meinen Fall zu berichten. Das hat sie getan, ich habe sie auch in meinem Buch erwähnt. Mein Vater hat sogar beim König vorgesprochen. Die Regierung kam sehr unter Druck und ließ mich deswegen frei.
Haben Sie es danach noch einmal gewagt zu fahren?
Ja, ich habe es wieder getan - etwa, um zu meiner Familie zu gelangen. Ich hatte keinen Fahrer, aber mein Freund ein Auto. Also habe ich mich hinters Steuer gesetzt. Ich habe jedoch nicht mehr in der Öffentlichkeit darüber gesprochen oder Videos gepostet, weil ich versprochen hatte, nicht mehr selbst zu fahren.
Welche absurden Argumente hat sich Saudi-Arabien einfallen lassen, warum Frauen nicht hinters Steuer sollen?
Es gibt so viele, die kann ich gar nicht alle aufzählen. Aber ich habe sie im letzten Kapitel meines Buches erwähnt. Ein Argument war zum Beispiel, dass es die Eierstöcke schädigt. Oder es hieß, die Gesellschaft würde zusammenbrechen, wenn Frauen Auto fahren dürften. Sie könnten zudem gar nicht fahren, und es würde dadurch mehr Unfälle geben.
Was muss in Saudi-Arabien als Nächstes passieren, um Frauen weiter zu stärken?
Der nächste und wichtigste Schritt ist, dass die männliche Vormundschaft abgeschafft werden muss.
Letzte Frage: Was ist Ihr Lieblingsauto?
Das hat mich noch nie jemand gefragt! Ich habe immer davon geträumt, einen Porsche zu fahren. Ich hätte mir als Ingenieurin bei Aramco durchaus einen leisten können, aber ich hätte mich furchtbar gefühlt, wenn ich ihn an einen Fahrer abgeben hätte müssen. Ich will schließlich das Fahren selbst genießen und nicht einen anderen ans Steuer lassen.
Wer Manal al-Sharif und ihr neues Buch "Losfahren" kennenlernen möchte: An diesem Sonntag, 8. Oktober, ist sie um 19.30 Uhr im Münchner Volkstheater.
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