Kommentar

Rücksichtslos und risikobereit: Lindners politischer Alleingang gefährdet Deutschland

Der Bundeskanzler entlässt seinen Finanzminister. Christian Lindner hat sich verzockt. Anstatt Verantwortung zu übernehmen, setzt die FDP auf Erpressung und Eigeninteresse, selbst wenn es das Land destabilisiert, kommentiert AZ-Politik-Chefin Natalie Kettinger das politische Beben in Berlin.
von  Natalie Kettinger
Die Ampel ist am Ende: Finanzminister Christian Lindner ist entlassen worden.
Die Ampel ist am Ende: Finanzminister Christian Lindner ist entlassen worden. © Foto: imago/B.Bartsch

Hat er sich verzockt – oder hofft er angesichts der Umfrage-Talfahrt seiner Partei auf die Märtyrer-Rolle? Das wissen vermutlich nur FDP-Chef Christian Lindner selbst und einige seiner Getreuen. Fakt ist: Unter Lindner schmeißen die Liberalen zum zweiten Mal hin.

Gegen den Koalitionsvertrag

Die Premiere war 2017, als der Parteivorsitzende nach vierwöchigen Verhandlungen die Jamaika-Sondierungen mit Union und Grünen abbrach. „Es ist besser, nicht zu regieren, als schlecht zu regieren“, hat er damals gesagt.

Bundeskanzler Olaf Scholz entlässt Christian Lindner und kritisiert ihn scharf. „Zu oft hat er mein Vertrauen missbraucht“, sagt er.
Bundeskanzler Olaf Scholz entlässt Christian Lindner und kritisiert ihn scharf. „Zu oft hat er mein Vertrauen missbraucht“, sagt er. © Michael Kappeler/dpa

Und diesmal? Hat er – nach in Teilen durchaus gutem Regieren aber leider noch mehr Streit und Verunsicherung – die Koalitionspartner in seinem Wirtschaftswende-Papier mit Maximalforderungen konfrontiert, die diese nicht annehmen konnten, weil sie dem Koalitionsvertrag diametral entgegenstanden.

Reine Erpressung

Der Vorschlag, gemeinsam Neuwahlen Anfang 2025 zu organisieren: reine Erpressung. Das wiederum ist schlechtes Regieren. Womöglich aus reinem Partei-Eigennutz. Und am Tag, an dem Donald Trump in den USA die Präsidentschafts-Wahl gewinnt, die Bundesregierung in den Abgrund zu stürzen, ist noch mehr: menschlich erschütternd und politisch absolut verantwortungslos.

Auch Bundeskanzler Olaf Scholz mag kein Heiliger sein, man denke nur an Cum-Ex – doch in diesem Punkt hat er Recht. Allerdings wäre es angebracht gewesen, er hätte schon bei früheren Krisen deutlich Klartext gesprochen. Dann wäre Deutschland diese Krise vielleicht erspart geblieben.

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