Rösler vs. Seehofer: Jüngling gegen alten Haudegen
MÜNCHEN - Der Streit um die Kopfpauschale: Rösler fährt zu Seehofer, um ihn von der "kleinen Kopfpauschale" zu überzeugen. Geschickt hat ihn Bundeskanzlerin Angela Merkel - und sie erwartet Ergebnisse.
Früher hat ihm „Willi“ geholfen. Mit der Handpuppe und seiner Bauchrednerstimme nahm Philipp Rösler (36) seinen kleinen Patienten die Angst – und schwupps, trickste er sie aus. Diesmal aber muss der Arzt, der inzwischen Deutschlands jüngster Gesundheitsminister ist, einen alten Haudegen knacken. Einen, der alle Tricks kennt, selber Gesundheitsminister war – und mit seiner eigenen Reform scheiterte. Am Montag um 14.30 Uhr fährt Rösler in der bayerischen Staatskanzlei vor – zum Showdown mit Horst Seehofer.
Unter vier Augen soll der Youngster den 60-jährigen CSU-Chef zur „kleinen Kopfpauschale“ bewegen. Im Auftrag der Kanzlerin. Sie erwartet eine „gute Klärung“ und macht das Konzept von Seehofers Zustimmung abhängig. Der lehnt bisher eine Kopfpauschale kategorisch als „ungerecht“ ab. Längst hat Rösler auf die Kernelemente verzichtet – und auf einen Systemwechsel. Von 15 bis 30 Euro ist nur noch die Rede. Geringverdiener sollen verschont bleiben. Das soll nicht mehr wie geplant der Steuerzahler ausgleichen, sondern die besserverdienenden Mitglieder der gesetzlichen Kassen mit einer Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze. Aber Seehofer ist gegen alles, wenn das Wort „Erhöhung“ vorkommt.
Als Rösler, der liberale Neuling, im Oktober aufs Schlachtfeld der Gesundheitspolitik geschickt wurde, hatte er davon nicht viel Ahnung. Mit seiner unerschütterlich fröhlichen Art tönte er aber gleich: „Wir beschreiten den Weg in ein robustes Gesundheitssystem, das nicht mehr alle zwei bis drei Jahre reformiert werden muss. Das System wird besser, ohne teurer zu werden.“ Und: „Wir gehen davon aus, dass die Versicherten keine höheren Beiträge zahlen werden.“
Nur ein müdes Lächeln hat das Seehofer entlockt. Der Ingolstädter war schon Gesundheitsminister, da machte Rösler gerade sein Abitur. Von Gesundheitsreformen kann er ein Lied singen. Sein Gegner kam damals aus den eigenen Reihen. Als er seine Reform mit Streichungen durchsetzen wollte, schrie ihn Stoiber in Kreuth an. Die Regierung Kohl verlor 1998 die Wahl. Die Schuld dafür wurde Seehofer zugeschoben. Daran knabbert er noch heute. „Damals haben wir Politik gegen die kleinen Leute gemacht, ich war da ganz vorne mit dabei. Und dann sind wir geköpft worden“, vertraute er einmal den „Stern“ an. Später, als Verhandlungsführer der Union, hatte er mit SPD-Ministerin Ulla Schmidt bei deren Reformversuch die „schönste Nacht“. Gestern war’s ein Nachmittag mit Hindernis. Da drängte der Rücktritt von Horst Köhler die Kopfpauschale in den Hintergrund. A.Böhm