Richard allein zu Haus - selbst die Piusbrüder gehen auf Distanz
Die erzkonservativen Katholiken nehmen dem Holocaust-Leugner die Leitung eines Priesterseminars weg. Dort vergleicht man ihn jetzt mit Galileo Galilei
ROM/BUENOS AIRES Jetzt geht die Piusbruderschaft auf Distanz zu ihrem umstrittensten Mitglied: Holocaust-Leugner Richard Williamson wurde die Leitung eines Priesterseminars in Argentinien entzogen. Christian Bouchacourt, Leiter der Bruderschaft in La Reja nahe Buenos Aires, teilte mit, dass Williamson die Entscheidung bereits am 31. Januar akzeptiert habe. "Williamsons Äußerungen sind unangebracht und spiegeln nicht die Positionen der Pius-Bruderschaft wider", hieß es.
Wie ernst die Piusbrüder diese öffentliche Watschn meinen, steht aber auf einem anderen Blatt. Weltweit haben sie zu einer Internet-Solidaritätsaktion aufgerufen, um den Papst "in seiner mutigen Geste" zu unterstützen. Im Priesterseminar La Reja verglich ein Gläubiger Williamson mit Galileo Galilei – dieser war vom Vatikan gezwungen worden zu widerrufen, dass sich die Erde um die Sonne dreht.
"Schändung eines Kreuzes ist eine schlimmere Sünde als Terroranschläge"
Derweil werden immer mehr Details des kruden Gedankenguts der Piusbruderschaft bekannt. Der heutige Distrikt-Obere Franz Schmidberger soll laut "Report Mainz" bei einem Vortrag im Oktober 2001 gesagt haben, die Schändung eines Kreuzes, "bei der dem Heiland ein Arm abgerissen wird, ist objektiv eine schwerere Sünde als der Terroranschlag von New York und Washington". Im Interview mit "Report Mainz" spricht sich Schmidberger außerdem für die Todesstrafe aus und nennt Aids eine "Strafe Gottes für Homosexualität". Auch neue antisemitische Äußerungen wurden in den Pius-Schriften bekannt. So heißt es in einem Mitteilungsblatt, die Juden hätten an der "Zersetzung der sittlichen Werte einen beträchtlichen Anteil". Der Sprecher der Deutschen Bischofskonferenz, Matthias Kopp, bezeichnete das als "inakzeptabel". Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden: "Williamson ist die Spitze eines Eisbergs und die Piusbruderschaft ist das Meer, in dem dieser Eisberg schwimmt."
Erstmals ist jetzt ein Prominenter aus der Kirche ausgetreten: Schriftsteller Frido Mann. "Die Kirche ist seit dem unseligen Pontifikat Johannes Pauls II. zu einem altersschwach-verknöcherten Potemkischen Macht- und Überwachungszentrum erstarrt", sagte der Enkel des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann. Papst Benedikt XVI. nannte er "zynisch und menschenverachtend". "Die Rehabilitation von notorischen Antisemiten empfinde ich als Kriegserklärung ausgerechnet des deutschen Stellvertreters Jesus Christus an das Judentum und als Verhöhnung des unsäglichen Leidens dieses Volkes."
"Papst Benedikt muss jetzt konkret handeln"
Um die Wogen zu glätten, hat der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper gestern im Vatikan Spitzenvertreter des Jüdischen Weltkongresses (WJC) empfangen. "Ich denke, unsere Botschaft ist im Vatikan verstanden worden", sagte WJC-Präsident Ronald S. Lauder. "Dass Papst Benedikt XVI. von Williamson einen Widerruf verlangt hat, ist ein erster Schritt, dem nun konkretes Handeln folgen muss."
Williamson selbst schert sich darum wenig. Zwar versuchte er, die weitere Ausstrahlung seines Holocaust-Interviews mit einem schwedischen TV-Sender gerichtlich verhindern zu lassen – ohne Erfolg. Gleichzeitig bleibt er im "Spiegel"-Interview aber bei seiner Meinung: "Es geht um historische Beweise, nicht um Emotionen", sagt er. "Wenn ich diese Beweise finde, werde ich mich korrigieren." Williamson erläuterte auch, wie genau er sich in die "Beweise" vertiefen möchte: Er habe sich ein Buch über Auschwitz bestellt. "Ich werde es studieren." Auf die Frage, warum er nicht persönlich nach Auschwitz fahren möchte, antwortet Williamson nur: "Nein, nach Auschwitz werde ich nicht fahren."
zo