Putin-Gegner Nawalny schuldig gesprochen

Es ist ein Gradmesser für den Umgang mit Andersdenkenden in Russland: Putin-Gegner Alexej Nawalny ist von einem russischen Gericht wegen Veruntreuung schuldig gesprochen worden.
von  dpa

Moskau - Der bekannte russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny ist in einem umstrittenen Prozess wegen Veruntreuung schuldig gesprochen worden. Ein Strafmaß verkündete Richter Sergej Blinow in der Stadt Kirow zunächst nicht.

Die offizielle Agentur für Gerichtsberichterstattung rapsinews.ru übertrug die Verlesung live im Internet. Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Jahre Arbeitslager für den scharfen Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin gefordert.

Der Richterspruch ist noch nicht rechtskräftig. Die Verteidigung kündigte Berufung an. Sollte er in Freiheit bleiben, kann Nawalny auch weiter für die Bürgermeisterwahl in Moskau am 8. September kandidieren, wie die Wahlkommission in der russischen Hauptstadt mitteilte.

Nawalny soll 2009 als Berater des Gouverneurs von Kirow eine staatliche Holzfirma um umgerechnet rund 400 000 Euro geprellt haben. Der prominente Kämpfer gegen Korruption wies die Vorwürfe in Kirow erneut als politische Inszenierung des Kreml zurück. Der Richter habe nur die Anklageschrift abgelesen, schrieb er in einer ersten Reaktion beim Kurznachrichtendienst Twitter. Nawalny hatte eine Verurteilung erwartet. Er bezeichnete seine Stimmung als gut und nahm den Richterspruch mit einem Grinsen auf.

Das Urteil in Kirow rund 900 Kilometer nordöstlich von Moskau gilt als Gradmesser für den Umgang mit Andersdenkenden in Russland. Als einer der Anführer der zersplitterten russischen Opposition hatte Nawalny, der auch Präsident werden will, wiederholt Großkundgebungen gegen Putin organisiert. Der Blogger hatte zudem die im Volk beliebte Bezeichnung "Partei der Gauner und Diebe" für die Kremlkraft Geeintes Russland geprägt.

Nach Ansicht des Gerichts hat Nawalny dafür gesorgt, dass 10 000 Kubimeter Holz weit unter Wert verkauft wurden. "Nawalny hat das Verbrechen organisiert", sagte Richter Blinow. Dabei habe der 37-Jährige sein Amt missbraucht. Das hätten Zeugenaussagen bewiesen. Blinow sprach auch Nawalnys Geschäftspartner Pjotr Ofizjerow schuldig.

Mehr als 100 Journalisten hatten sich schon in der Nacht vor dem Gerichtsgebäude versammelt, wie die Agentur Interfax meldete. Es gab nur 60 Plätze. Auch Nawalnys Eltern und seine Ehefrau sowie prominente Oppositionelle wie Ex-Vizeregierungschef Boris Nemzow waren im Gerichtssaal.

In Moskau warnten die Behörden die Opposition vor Protesten. Es gebe keine Genehmigung dafür, hieß es. Sicherheitskräfte sperrten den Manegenplatz nahe dem Machtzentrum Kreml ab. Dort wollten Nawalnys Anhänger im Fall eines Schuldspruchs demonstrieren.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.