Präsidentenwahl in den USA: So könnte Donald Trump verhindert werden

Letzte Hürde für Donald Trump: 538 Wahlleute haben ihre Stimme abgegeben. Das Polster des Republikaners ist groß. Was müsste passieren, dass seine Präsidentschaft doch noch verhindert wird?
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dpa

Die letzte Hoffnung von Millionen Gegnern ruht auf 538 Menschen. Denn sie sollen als eine Art letzte Verteidigungslinie einen Präsidenten Donald Trump verhindern. Gestern hat das Gremium der Wahlleute in den USA seine Stimmen abgegeben – doch wie realistisch ist es, dass der „President-elect“ für die kommenden vier Jahre doch nicht ins Weiße Haus einzieht?

Was hat es mit den Wahlleuten aller 50 Bundesstaaten und der Hauptstadt Washington auf sich? Sie schickten gestern ihr Votum für den US-Präsidenten und den Vize in sechs Umschlägen an vier Adressaten, unter anderem an den Präsidenten des US-Senats.

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Spätestens neun Tage nach dem Votum müssen die Umschläge eingegangen sein. Zwischen diesem Zeitpunkt und dem 6. Januar kann das Ergebnis an die Öffentlichkeit dringen – am 6. wird es im Kongress verkündet. Der 45. Präsident der USA soll am 20. Januar vereidigt werden.

Warum gibt es Druck auf die Wahlleute? Viele verweisen neben ihrem Unbehagen über Trump auf das Wahlergebnis selbst: Zwar hat der Republikaner 306 Wahlleute gewonnen und Clinton 232, das ist deutlich – Trump selbst bezeichnet es als „Erdrutschsieg“. Aber Clinton führt in der Gesamtzahl der Stimmen mit 2,8 Millionen oder gut zwei Prozent.

Was müsste passieren, um Trump zu verhindern?

Die Kritiker argumentieren, die Wahlleute repräsentierten nicht das wahre Verhältnis der Mehrheiten im Land. Sie fordern, die Abstimmung hätte verschoben werden müssen: Erst müsse sich Trump zur Zukunft seiner Geschäfte äußern, außerdem müsse erst eine Beeinflussung der Wahl durch Russland geklärt werden.

Was tat sich in der Gruppe der 538? Elektoren berichten von Tausenden Zuschriften mit der Forderung, Trump zu verhindern. Fünf Millionen Menschen haben eine Online-Petition unterzeichnet. Im Gremium – das aber nie als Gruppe auftritt – brodelte es. Ein Republikaner trat wegen Trump zurück, ein anderer drückte öffentlich seinen Widerwillen aus. Demokraten versuchten, neue Mehrheiten zu organisieren.

Was müsste passieren, um Trump zu verhindern? 38 oder ein Achtel der Trump-Wahlleute müssten gegen ihn stimmen. Sie könnten für einen anderen Republikaner votieren, häufig genannt wird Ohios Gouverneur John Kasich. Wenn Demokraten sich ihnen anschließen, könnte der neue Kandidat über die Mehrheit von 270 kommen. Schließen sich die Demokraten dem nicht an, hat keiner eine Mehrheit. Dann entscheidet das Repräsentantenhaus, das wiederum deutlich in der Hand der Republikaner ist. Der Ausgang wäre wohl klar.

Sind die Wahlleute an den Wählerwillen gebunden? Ja und Nein. Ein Bundesgesetz gibt es dazu nicht, aber 29 Staaten und die Hauptstadt verpflichten die Elektoren zur Wahl desjenigen, den ihre Partei nominiert hat. Andernfalls werden sie bestraft. Es gibt aus beiden politischen Lagern ernste Mahnungen: Man könne das ganze Verfahren ja veraltet finden, aber es sei nun mal von der Verfassung vorgesehen. Es sei undemokratisch, sich nun nicht daran halten zu wollen, weil einem der Wahlausgang des 8. Novembers nicht passe. In der Geschichte der USA haben die Wahlleute zu 99 Prozent so gewählt, wie sie bei der Wahl bestimmt wurden.

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Warum gibt es dieses ganze Verfahren überhaupt? Die US-Bürger wählen den Präsidenten indirekt. Am Wahltag wird je nach Größe des Bundesstaates eine Zahl an Wahlleuten bestimmt. Wer in einem Staat die Mehrheit erhält, bekommt mit wenigen Ausnahmen alle Wahlleute – „the winner takes all“.

Was war der ursprüngliche Sinn des Gremiums? Mit seiner Einrichtung verbanden die Gründungsväter der USA eines: Sie wollten Demagogen verhindern. Sie misstrauten dem Volkswillen, deswegen sollte er gefiltert werden. Die Verfassung wurde so angelegt, dass spontane und kurzfristige Politik zurückstehen würde hinter einer Politik zum Wohl langfristiger Interessen des Landes. Trump könnten dabei die Ohren klingeln. Theoretisch.

Wird sich an diesem alten System jemals etwas ändern? Auf kurze Sicht sicher nicht, aber die Diskussion ist da. „Es würde mich wundern, wenn wir nicht in zehn Jahren nach einer Mehrheit der Stimmen entscheiden würden“ – das sagte kürzlich einer, der mit dem Missverhältnis von Stimmen und Wahlleuten eigene Erfahrungen gemacht hat: Al Gore, im Jahr 2000 Wahlverlierer gegen George W. Bush.

 

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