Politischer Präsident
Zu den schwierigsten Übungen eines Politikers gehört der Israel-Besuch. Nirgends lauern mehr Fallstricke, und es ist eine Genugtuung zu sehen, wie Joachim Gauck diesen Parcours bisher bewältigt.
Israel ist ein polarisiertes Land an einem der wichtigsten Brennpunkte des Weltgeschehens. In einem Land, dessen Bevölkerung mehrheitlich von der Vergangenheit der Shoah traumatisiert ist, kann niemand leichtfertig sein, niemand kann es allen recht machen. Aber es genügt auch nicht, sich nur mit der Vergangenheit auseinanderzusetzen – „bewältigen“ kann sie ohnehin keiner.
Mindestens so wichtig ist die Gegenwart, und der Sinn für die Lösung schwärender Konflikte in der Zukunft. Gauck hat gesagt, was problematisch ist an der Aussage der Kanzlerin, Israels Sicherheit sei Teil deutscher Staatsräson. Dass dies „im praktischen Fall zu enormen Schwierigkeiten“ führen könne, ist erfrischend klar.
Das heißt einerseits: Deutschland mag nicht Kriegspartei werden im Konflikt mit dem Iran. Und es heißt andererseits: Deutschland muss alles tun, damit es zu diesem Krieg nicht kommt. Das hat nicht allen gefallen in Israel, aber es war Unterstützung für alle, die im Angriff auf Iran einen Weg ins Verhängnis sehen. Auch gegenüber Premier Netanjahu spricht Gauck von „Differenzen“, wenn er auch die Freundschaft lobt.
Er ist kein Politiker, aber ein politischer Präsident und respektabler Repräsentant. Und ein wohltuender Kontrast zu polternden Poeten ist er allemal.
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