Oettinger will härtere Gangart gegenüber Polen
Brüssel/Warschau - "Es spricht viel dafür, dass wir jetzt den Rechtsstaatsmechanismus aktivieren und Warschau unter Aufsicht stellen", sagte der CDU-Politiker der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS).
EU-Diplomaten hatten bereits Ende Dezember bestätigt, dass die von Jean-Claude Juncker geführte EU-Kommission bei ihrer Sitzung am 13. Januar über die Lage in Polen beraten wird.
Im Kampf gegen staatliche Willkür in Mitgliedstaaten hatte sich die EU vor gut einem Jahr ein neues Verfahren zugelegt, das aber bisher ungenutzt blieb. Staaten, die systematisch gegen gemeinsame Grundwerte verstoßen, können bei EU-Ministertreffen offiziell in die Mangel genommen und damit politisch unter Druck gesetzt werden.
Oettinger äußerte sich in dem Zeitungsinterview besorgt über jüngste Änderungen beim polnischen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. "Ein Intendant darf nicht ohne Angabe von Gründen entlassen werden. Das wäre Willkür." Zuvor hatte bereits die Reform des Verfassungsgerichts in POlen für Aufsehen gesorgt, die die Arbeit unabhängiger Verfassungshüter erschwert.
Der stellvertretende CSU-Vorsitzende und Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, warf der Warschauer Regierung in einem Interview der Funke-Mediengruppe vor, "zentrale europäische Prinzipien und Werte zur Debatte" zu stellen.
Nach der Verabschiedung des Mediengesetzes traten in Polen inzwischen die Direktoren von vier Programmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehsenders TVP zurück, wie die Zeitung "Gazeta Wyborcza" am Samstag berichtete. Die Fernsehmacher kamen damit vermutlich ihrer Entlassung zuvor: Nach dem umstrittenen Gesetz, das die Warschauer Regierung am Donnerstag auch durch die zweite Kammer des polnischen Parlaments gebracht hatte, sollen unter anderem die Mandate der bisherigen Aufsichtsräte und Vorstandsmitglieder des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und Rundfunks verfallen.
Über die Spitzenposten in den öffentlich-rechtlichen Medien in Polen soll künftig der Schatzminister und damit die Regierung entscheiden. Das Gesetz benötigt noch die Unterschrift von Präsident Andrzej Duda.
Die Europäische Rundfunkunion (EBU) appellierte in einem auf ihrer Webseite veröffentlichten Schreiben von Generaldirektorin Ingrid Deltenre an Duda, das Mediengesetz nicht zu unterzeichnen, um die "Integrität und Unabhängigkeit der öffentlichen Medien als Symbol eines freien und demokratischen Landes zu bewahren".
Die EU-Kommission hatte sich bereits zuvor in den Streit um die Medienreform eingeschaltet. Behörden-Vizechef Frans Timmermans forderte von der polnischen Regierung Informationen zur Vereinbarkeit der Gesetzesänderungen mit EU-Recht. Schon vor Weihnachten hatte der niederländische Sozialdemokrat Warschau davor gewarnt, die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts einzuschränken.