Italien darf Nord-Stream-Verdächtigen ausliefern

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Drei Jahre nach den Anschlägen auf die Nord-Stream-Gaspipelines in der Ostsee kann einer der mutmaßlichen Drahtzieher aus Italien nach Deutschland ausgeliefert werden. Ein Gericht in Bologna gab grünes Licht für die Überstellung des 49 Jahre alten Ukrainer Serhij K. an die deutschen Behörden. Damit kommt der Mann, der Ende August während eines Familienurlaubs an der italienischen Adriaküste festgenommen worden war, vermutlich noch in diesem Monat in ein deutsches Gefängnis.
Für die Entscheidung über eine Auslieferung war ein Berufungsgericht in der norditalienischen Stadt Bologna zuständig. Aus dessen Sicht gibt es keinerlei Gründe, die gegen eine Auslieferung nach Deutschland sprechen. Der Anwalt des Ukrainers, Nicola Canestrini, kündigte an, den Fall vor Italiens oberstes Gericht zu bringen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Kassationshof in Rom die Auslieferung noch stoppt, wird jedoch als sehr gering eingeschätzt. Die EU-Partner Deutschland und Italien arbeiten auch in der Justiz eng zusammen.
Bundesanwaltschaft spricht von verfassungsfeindlicher Sabotage
Die Bundesanwaltschaft legt K. zur Last, eine Gruppe koordiniert zu haben, die im September 2022 nahe der Ostseeinsel Bornholm Sprengsätze an den aus Russland kommenden Pipelines Nord Stream 1 und 2 platzierte. Sie wirft ihm gemeinschaftliches Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion und verfassungsfeindliche Sabotage vor. Falls es zum Prozess kommt, würde dieser wahrscheinlich in Hamburg stattfinden. Dorthin könnte K. auch aus Italien ins Gefängnis gebracht werden. Weitere Festnahmen gab es bislang nicht.
Der Ukrainer wurde Ende vergangenen Monats in einer kleinen Gemeinde im Hinterland des beliebten Adria-Badeortes Rimini gefasst, wo er mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern die Ferien verbrachte. Offenbar rechnete er nicht damit, dass ein internationaler Haftbefehl vollstreckt wird.
Ukrainer bestreitet alle Vorwürfe
Nach Medienberichten soll der Mann ein ehemaliger Agent des ukrainischen Geheimdienstes SBU sein und sich auch zuvor schon häufiger im europäischen Ausland aufgehalten haben.
K. bestreitet alle Vorwürfe. Er behauptet, in der Zeit der Anschläge auf die Pipelines in der Ukraine gewesen zu sein. Sein italienischer Anwalt legte gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts Beschwerde sein. Canestrini sagte der dpa: "Grundrechte wie der Anspruch auf ein faires Verfahren und korrekte Haftbedingungen dürfen nicht im Namen automatischer Zusammenarbeit zwischen den Justizsystemen geopfert werden."
Russland hatte Gaslieferungen zuvor schon eingestellt
Auch die Regierung in Kiew bestreitet, hinter den Anschlägen zu stecken. Die Ukraine wehrt sich schon seit mehr als dreieinhalb Jahren gegen einen Angriffskrieg aus Russland. Der Anschlag im Herbst 2022, ein halbes Jahr nach Kriegsbeginn, hatte weltweit Schlagzeilen gemacht. Mehrere Sprengungen beschädigten die beiden Pipelines so sehr, dass kein Gas mehr durchgeleitet werden konnte. An drei der insgesamt vier Leitungen wurden Lecks entdeckt.
Allerdings war zuvor schon kein Gas mehr durch die Leitungen geflossen. Nach Kriegsbeginn hatte Russland seine Lieferungen zunächst gedrosselt und dann Anfang September völlig eingestellt - angeblich wegen technischer Probleme. Vermutet wird, dass Moskau damit den Druck auf den Westen und insbesondere Deutschland erhöhen wollte, erlassene Sanktionen gegen Russland zurückzunehmen. Inzwischen sind viele weitere Strafmaßnahmen hinzugekommen.
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