"Nicolas, sie lieben dich nicht"
Nicolas Maduro gewinnt als „Billig-Imitat“ von Hugo Chávez die Wahlen in Venezuela – aber nur hauchdünn. Das wirft die Frage auf, wie lang sich der religiöse Busfahrer im Amt halten kann
CARACAS Viele halten ihn für eine „schlechte Kopie“, ein „Billig-Imitat“ seines Idols Hugo Chávez: Nicolas Maduro hat die Wahlen in Venezuela gewonnen. Aber überraschenderweise war es derart knapp, dass Maduro nun innen wie außen gewaltig unter Druck kommt. Das Land, eines der erdölreichsten der Welt, ist tief gespalten.
Maduro siegte hauchdünn mit 50,66 Prozent, Oppositionskandidat Henrique Capriles kam auf 49,07 Prozent - und klagte prompt über Unregelmäßigkeiten. Umfragen und auch das Chávez-Lager selbst hatten einen viel größeren Vorsprung erwartet. Entsprechend grollt es nun unter den anderen Chavistas: Sie glauben, dass Maduro eben nicht das Format für die Nachfolge des langjährigen Regenten hat. „Die Ergebnisse zwingen uns zu umfassender Selbstkritik“, so Parlamentspräsident Diosdado Caballo, ein Parteifreund von Maduro. Auch Capriles rieb Salz in die Wunde: „Der größte Verlierer heute bist du, Maduro. Die Menschen lieben dich nicht.“
Da trifft er einen wunden Punkt. Der 50-jährige Maduro hat bei weitem nicht das Charisma von Hugo Chávez. Der frühere Busfahrer hatte sich schon 1992 öffentlich für Chávez eingesetzt, als der wegen eines Putschversuchs im Gefängnis saß: Diese Loyalität vergaß Chávez nie, er hievte den massigen Mann mit dem Schnauzer später in immer neue Ämter. Weniger wegen dessen politischer Talente, mehr aus Verbundenheit. Allerdings immer auch mit einer gewissen Gönnerhaftigkeit: „Seht her, was Nicolas, der Busfahrer, alles schafft“, lobte er.
Maduro dankte es mit tiefster Verehrung. Weinend und mit erstickter Stimme verkündete er der Nation Chávez’ Tod. Und versuchte, sich jetzt im Wahlkampf als der „Apostel“ zu inszenieren, der das Vermächtnis des „Erlösers“ (also Chávez) auf Erden vollende. Highlight war, als er im Wahlkampf schilderte, wie Chávez, der jetzt im Himmel selbstverständlich gleich neben Jesus sitzt, die Papst-Wahl gedeichselt hat.
Wie gibt es so viel Armut trotz des Öl-Reichtums?
Doch die Apostel-Botschaft kauften ihm weit weniger Venezolaner ab als erwartet. Dabei profitieren viele Arme in der Tat von den staatlichen Begünstigungen, die Chavez eingeführt hat. Sie gehören immer noch zu den treuen Wählern der Sozialisten. Doch auch Capriles’ Kritik fällt auf fruchtbaren Boden: Wie es sein könne, dass ein Land mit einem solchen Ölreichtum so viel Armut herrscht? Capriles’ Antworten: Weil sich die Chavistas selbst bedienen, weil sie viel an befreundete Regierungen wie Kuba verschenken, weil die sozialistische Regierungspolitik die private Wirtschaft abwürgt und die Inflation immer weiter anheizt.
Gerade der Ölreichtum macht Venezuela zu einem einflussreichen Land, dessen Entwicklung aufmerksam verfolgt wird. Von anderen linken Regierungen Südamerikas kamen gestern reichlich Glückwunschtelegramme: Sie hoffen, dass Venezuela als starker Fürsprecher und Billig-Öl-Lieferant erhalten bleibt. Umgekehrt kühl war die US-Reaktion. Die Hauptfrage ist allerdings, wie lange sich Maduro halten kann: Er hat fast die Hälfte der Bürger gegen sich, und das sogar jetzt schon, da die Verklärung des toten Volkshelden noch nachhallt. Und er hat einen starken Flügel der eigenen Partei gegen sich, die mit ihm die Macht schwinden sehen.
- Themen:
- Inflation