Nicht genug Soldaten?
"Afghanistan ist zweimal so groß wie Deutschland, die Russen waren mit 100000 Mann dort und erfolglos." Die Sicherheitslage hat sich verschärft. Nach Ansicht des Experten müssen die Isaf-Truppen aufgestockt werden.
KABUL Plötzlich ist Afghanistan wieder in den Schlagzeilen: Am Montag verübten Unbekannte erneut einen Anschlag auf eine Bundeswehr-Patrouille. Zur selben Zeit gedachten die Soldaten mit einer Trauerfeier im pfälzischen Zweibrücken dem bei einem Anschlag getöteten Hauptfeldwebel. Ob tatsächlich deutsche Soldaten auf afghanische Zivilisten geschossen haben, wird immer noch untersucht. Über die Lage sprach die AZ mit dem Afghanistan-Experten Boris Barschow.
AZ: Herr Barschow, wird der Afghanistan-Einsatz immer gefährlicher?
BORIS BARSCHOW: Bei meinem zweiten Einsatz Ende 2007/2008 gab es tatsächlich häufiger Anschläge im Nordosten des Landes. Als ich Anfang 2007 zum ersten Mal in Kabul Dienst getan habe, haben sich die Attentate noch auf den Süden konzentriert. Allerdings ist es auch ein Ritual der Aufständischen, gerade die Isaf-Nationen, die daheim eine starke Opposition gegen den Einsatz haben, durch Anschläge zu verunsichern.
Was ja auch gelingt, die Debatte über den Einsatz ist wieder in vollem Gange.
Zu Unrecht, meiner Meinung nach. Es wird nur über die Anschläge, das Negative berichtet. Nicht aber über all die positiven Veränderungen, die wir schon erreicht haben.
Sind die Taliban erstarkt?
Da kann ich nur spekulieren. Die Taliban sind ja nicht nur die bärtigen Kombattanten, als die man sie sich vorstellt. Wir haben hier mit einem unsichtbaren, schwer fassbaren Gegner zu tun.
Und was kann man tun?
Ich frage mich, ob 60000 Soldaten genug sind. Afghanistan ist zweimal so groß wie Deutschland, die Russen waren mit 100000 Mann dort und erfolglos. Je mehr Arbeiter sie haben, desto schneller ist das Haus fertig.
Also muss man einfach mehr Leute schicken?
Nein, wir werden die Lage erst in den Griff bekommen, wenn Isaf und Nato den Drogenhandel unterbinden. Das ist die Haupteinnahmequelle der Taliban, deshalb können sie viel mehr Geld bezahlen. Dann überlegt sich ein afghanischer Mann halt, ob er zur afghanischen Armee geht oder zu den Taliban. Das wichtigste Ziel ist, den Afghanen dabei zu helfen, für ihre eigene Sicherheit sorgen zu können.
Zahlt der Westen zu wenig?
Nicht unbedingt. Aber ich frage mich, warum zum Beispiel das Wiederaufbau-Geld über ausländische Entwicklungshilfeorganisationen verteilt wird. Warum gibt man es den Afghanen nicht direkt, sondern lässt erst drei oder vier andere Stellen daran mitverdienen?
Int.: Annette Zoch
Boris Barschow bloggt über Afghanistan: blog.phoenix.de
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