Neue Proteste in Syrien und im Jemen
Zehntausende Demonstranten im Jemen, in Syrien und Jordanien haben nach dem Freitagsgebet demokratische Reformen gefordert. In Syrien fielen erneut tödliche Schüsse, in Jordanien gab es Verletzte.
Damaskus/Sanaa/Kairo - In Jemens Hauptstadt Sanaa herrschte Hochspannung, nachdem vor Wochenfrist bei Protesten regimetreue Heckenschützen 53 Demonstranten getötet und über 240 verletzt hatten. Ähnlich war die Lage auch in Syrien - dort waren in dieser Woche Dutzende Menschen von Sicherheitskräften getötet worden. In Jordanien wurden in der Nacht zum Freitag 30 Menschen bei einem Protest für mehr Demokratie verletzt.
Vor mehreren Tausend Anhängern signalisierte Jemens Präsident Ali Abdullah Salih am Freitag seine Rücktrittsbereitschaft, schloss aber zugleich einen Dialog mit der Opposition kategorisch aus. Der angedeutete Rückzug von der Macht blieb allerdings nebulös. "Ich bin bereit, die Macht abzugeben, aber nur in sichere Hände", sagte Salih. Diese sicheren Hände müssten vom Volk gewählt sein. Der Opposition traue er nicht, sagte er, da diese eine "kleine Minderheit von Drogenhändlern" sei.
Die jemenitische Opposition versammelte sich unterdessen zu einer Massenkundgebung unter dem Motto "Tag des Abschieds". Sicherheitskräfte bemühten sich, die Anhänger und Gegner des Präsidenten in Sanaa auseinanderzuhalten. Vertreter der Opposition, die weiterhin auf dem sofortigen Rücktritt Salihs beharrten, bezeichneten den Staatschef wegen dessen unklarer Rücktrittsbereitschaft als "listigen Wolf".
Bei den Protesten der Regimegegner in Syrien fielen erneut tödliche Schüsse auf Demonstranten. Reporter und Augenzeugen berichteten, Angehörige der Sicherheitskräfte hätten außerhalb der Stadt Al-Sanamien südlich von Damaskus auf Zivilisten geschossen, die auf dem Weg in die Unruheprovinz Daraa waren, um die Demonstranten dort zu unterstützen.
Zur Zahl der Opfer lagen zunächst keine gesicherten Angaben vor. Die Opposition sprach auf ihren Websites von 23 Toten und 140 Verletzten. Ein Augenzeuge sagte der Nachrichtenagentur dpa, er habe mehrere Verletzte gesehen. Die Opposition warnten Aktivisten in der Provinz Daraa davor, die Verletzten ins örtliche Krankenhaus zu bringen. Dieses werde von den Sicherheitskräften kontrolliert.
Westliche Journalisten waren von Polizei und Geheimdienst an der Fahrt in die Region gehindert worden. Nach Darstellung der Opposition waren dort Mitte der Woche rund 80 Regimegegner erschossen worden. In Damaskus waren zwei Kundgebungen pro-demokratischer Kräfte von der Polizei aufgelöst worden. Gleichzeitig rasten knapp 1000 Regimeanhänger in hupenden Autokolonnen durch die Stadt, um ihre Unterstützung für das Regime auszudrücken.
Die syrische Opposition reagierte skeptisch auf eine Reformankündigung des Präsidenten. Echte Reformen seien nicht zu erwarten, hieß es in den Internet-Foren der Regimegegner. Unter anderem war von der Führung eine eventuelle Aufhebung des seit 1963 geltenden Ausnahmezustands und ein Gesetz zur Registrierung demokratischer Parteien angedeutet worden. Allerdings bestätigten Menschenrechtler, dass seit Donnerstag tatsächlich, wie angekündigt, mehrere Aktivisten freigelassen wurden, die in den vergangenen Tagen festgenommen worden waren.
In Jordanien wurden bei einem Polizeieinsatz gegen demonstrierende Regierungsgegner mindestens hundert Menschen verletzt. Die Sicherheitskräfte setzten am Freitag in Amman Wasserwerfer ein, um die Kundgebung aufzulösen, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Arabija. Die hauptsächlich jugendlichen Demonstranten hatten am Vortag mit einer Dauer-Besetzung des Nasser-Platzes in Amman begonnen, um den Rücktritt von Ministerpräsident Maruf Bachit zu erzwingen.
Die jungen Leute gehören keiner der Parteien oder politischen Gruppierungen in Jordanien an. Sie haben sich über Internet-Plattformen wie Facebook organisiert, um Neuwahlen unter demokratischen Bedingungen zu verlangen.
In der Nacht zum Freitag waren in Amman 30 Demonstranten verletzt worden. Regimeanhänger warfen Steine gegen die Kundgebungsteilnehmer, die sich nicht zur Wehr setzten, berichteten Augenzeugen. Die Sicherheitskräfte griffen nicht ein.
Am Mittag waren in Amman Tausende Regimeanhänger zu einer Gegenkundgebung zusammengekommen. Rund zehntausend jugendliche Anhänger von König Abdullah II. demonstrierten in einer westlichen Vorstadt, um ihre Zuneigung für die haschemitische Monarchie auszudrücken. Die Kundgebung war vom jordanischen Unterrichtsministerium und anderen Regierungseinrichtungen organisiert worden. Die Teilnehmer wollten die von König Abdullah eingeleiteten Reformen unterstützen, hieß es.