Nelson Mandela, der Gigant der Geschichte
Johannesburg Die Trauerfeier für Nelson Mandela im Fußball-Stadion von Johannesburg wird zur Demonstration. Prominenz aus 90 Ländern ehrt den Helden des Kontinents. Es gibt Jubel für Obama – und einen historischen Händedruck.
Es regnet, und die Menschen tanzen: Es ist eine Beerdigung, aber die Stimmung ist nicht getragen. Sie ist aufgeladen, brodelnd, manchmal sogar fröhlich. Zehntausende ehren in Johannesburgs Fußballstadion Nelson Mandela, den Jahrhundertmann.
Es ist ein geschichtsträchtiges Ereignis, und ein wenig Weltgeschichte wird am Rande auch noch gemacht. „Er ist ein Gigant der Geschichte“, sagt Barack Obama. Der US-Präsident ist einer der 90 Ehrengäste. Obama wird umjubelt. Mandelas Nachfolger im Amt des Staatspräsidenten nicht. Jacob Zuma wird gnadenlos ausgepfiffen.
„Nelson Mandela hätte dieses Wetter geliebt“, sagt Cyril Ramaphosa, Regen bedeutet Segen in Afrika. Seit den frühen Morgenstunden waren sie unterwegs, in Regencapes, mit Schirmen, gehüllt in Mandela-Tücher. Mandelas lächelndes Konterfei auf Hemden der Männer, auf dem Kopfputz der Frauen. „Madiba Magic“, das zauberhafte Lächeln des Mannes, der die Apartheid überwinden half und der verhinderte, dass der Hass gewann in dem gespaltenen Land – es war wieder überall zu sehen.
„Es brauchte einen Mann wie Madiba, um nicht nur den Gefangenen zu befreien, sondern auch den Gefängniswärter“, sagte Barack Obama, der Mandela bei seinem Clan-Namen nannte. Der erste schwarze Präsident der USA war Star auf der Trauerfeier. In einer persönlichen Rede würdigte Obama den Helden des Kontinents, der vergangenen Donnerstag im Alter von 95 Jahren verstorben war:
„Er verstand, dass Ideen nicht von Gefängnismauern eingesperrt oder von der Kugel eines Scharfschützen ausgelöscht werden können“, und: „Mandela bewirkte auch, dass ich ein besserer Mensch werden wollte.“ Mandelas Lebenswerk stelle ihn in eine Reihe mit dem Sklavenbefreier Abraham Lincoln, mit dem indischen Pazifisten Mahatma Gandhi und dem Bürgerrechts-Heros Martin Luther King. Den Zehntausenden im Regen rief Obama zu: „Sein Kampf war euer Kampf, sein Sieg war euer Sieg.“
Obamas Rede und dosiertes Pathos kamen an. Es war offenbar das Ereignis, für das viele sich trotz der Niederschläge auf den Weg gemacht hatten. Sie hatten lange warten müssen. Auch Bundespräsident Joachim Gauck, der für Deutschland ans Kap geflogen war. Die Veranstaltung begann mit einer Stunde Verspätung, Obama kam sogar zwei Stunden zu spät.
Schon in den frühen Morgenstunden haben sie begonnen zu singen. Immer lauter. Es ist die Hymne der Freiheitskämpfer, mit denen die Südafrikaner ihren Nationalhelden verabschieden. „Mandela, akekho ofana nawe“, „Mandela, es gibt keinen anderen wie dich“, rufen sie im Stadion. Der Sprechgesang ist ohrenbetäubend, eine besondere Art der Trauer, die zeigt, wie sehr Mandela dieses Land geprägt hat.
„Wir sind heute hier, um Madiba zu sagen, dass er sich endlich ausruhen kann. Sein langer Weg ist vorbei, aber unserer beginnt erst“, sagt der Vizepräsident des regierenden ANC, Cyril Ramaphosa. „Lang lebe der Spirit von Nelson Mandela“, rufen mehrere Redner. Der Friedensnobelpreisträger wird der jungen Demokratie schmerzhaft fehlen. „Südafrika hat einen Helden verloren, die Welt einen Mentor“, sagt UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon. „Du schwebst über der Welt wie ein Komet und hinterlässt ein Licht, dem wir folgen sollten“, sagt Mandelas Enkel Zozuko Dlamini.
Auch dass das Land am Kap nach Mandelas Tod vor schwierigen Zeiten steht, zeigt die Trauerfeier. So sehr Mandelas Familie und Obama bejubelt werden, so stark erschallt für den amtierenden Präsidenten Jacob Zuma ein Pfeifkonzert. „Es scheint, als seien wir hier, um zwei Präsidenten zu verabschieden“, schreiben Beobachter auf Twitter. Zuma gilt als korrupt und selbstherrlich. Doch zuallererst ist es ein würdiger Abschied für den Vater Südafrikas.
„Hamba Kahle, Madiba“, rufen die Leute – „Leb wohl, geh in Frieden.“ Ein historisches Zeichen von Entspannung gab es jedenfalls auch auf der Ehrentribüne.
Der Präsident der USA und Raúl Castro, der Präsident Kubas, schüttelten sich die Hand. Eine vergleichbare Geste hat es seit Fidel Castros Revolution vor 53 Jahren nicht gegeben. Mandela macht’s möglich.