Mutmaßlicher Cole-Attentäter erstmals vor Gericht
Guantánamo Bay - Bei der offiziellen Anklageverlesung in Guantánamo Bay (Kuba) am Mittwoch lehnte es Abdel Rahim al-Naschiri ab, sich schuldig oder nicht schuldig zu bekennen.
Es ist das erste neue Verfahren vor einem Militärtribunal in dem US-Lager, nachdem US-Präsident Barack Obama im März grünes Licht für eine Wiederaufnahme derartiger Sonderprozesse gegeben hatte. Nach seinem Amtsantritt Anfang 2009 hatte er sie zunächst ausgesetzt.
In der vierstündigen Sitzung rangen Ankläger und Verteidigung vor allem miteinander um Verfahrensfragen. Das Gericht legte den Prozessbeginn auf den November des kommenden Jahres fest, um der Verteidigung die gewünschte Vorbereitungszeit zu verschaffen.
Bei dem Anschlag auf die "Cole" im Jemen waren vor elf Jahren 17 Amerikaner ums Leben gekommen. Al-Naschiri wird auch die Planung eines versuchten Anschlags auf die "USS The Sullivans" ebenfalls im Hafen von Aden Anfang 2000 zur Last gelegt. Er soll außerdem hinter der Attacke auf den französischen Öltanker "MV Limburg" vom Oktober 2002 im Golf von Aden stecken, bei dem ein Besatzungsmitglied ums Leben kam und mehr als 14 Millionen Liter Öl ins Meer liefen.
Der in Saudi-Arabien geborene 46-Jährige muss sich hauptsächlich wegen mehrfachen Mordes, versuchten Mordes und Terrorismus verantworten. Es ist das erste Tribunalverfahren in Guantánamo Bay, in dem ein Angeklagter im Fall eines Schuldspruches die Todesstrafe erhalten könnte.
Obama hatte unmittelbar nach seinem Einzug ins Weiße Haus angekündigt, er werde das Lager binnen eines Jahres schließen. Außerdem wollte er erreichen, dass dort festgehaltenen mutmaßlichen Terroristen der Prozess vor Zivilgerichten auf US-Boden gemacht wird. In beiden Punkten scheiterte er aber an massivem Widerstand im US-Kongress. So gab er denn auch grünes Licht für die Wiederaufnahme der Verfahren vor den sogenannten Militärkommissionen, in denen Angeklagte weniger Rechte haben als in Prozessen vor zivilen oder auch normalen Militärgerichten. Allerdings setzte Obama zumindest einige Verbesserungen zugunsten der Angeklagten durch, bevor er neue Verfahren zuließ.
Dennoch dauert die Kritik von Bürgerrechtlern an den Tribunalen an. Auch der Chef von Al-Naschiris Verteidigerteam, der Zivilist Richard Kammen, sagte vor Journalisten in Guantánamo Bay, die Militärkommissionen seien auf "Verurteilen und Töten" angelegt. So bemängelte er Missachtungen des Privilegs der Vertraulichkeit von Kontakten zwischen Anwalt und Angeklagtem. Auch verzögere die Staatsanwaltschaft die Offenlegung von Beweismaterial.
Das Verfahren gegen Al-Naschiri ist auch deshalb besonders kompliziert und spektakulär, weil der Angeklagte laut 2009 veröffentlichten offiziellen Dokumenten während Verhören gefoltert wurde. Demnach wurde er mehrere Male dem Waterboarding - simuliertem Ertränken - unterzogen und gab 2007 an, dass er damals als Folge das "Cole"-Attentat eingestanden habe. Kammen kündigte an, dass die Folterungen im Prozess eine große Rolle spielen würden.