Münchner Geisel gelingt die Flucht

72-Jähriger baute Krankenhäuser für Rupert Neudecks „Grünhelme“. 110 Tage nach der Entführung stemmt der Ingenieur eine Tür auf und kann sich in die Türkei retten
Matthias Maus |
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72-Jähriger baute Krankenhäuser für Rupert Neudecks „Grünhelme“. 110 Tage nach der Entführung stemmt der Ingenieur eine Tür auf und kann sich in die Türkei retten

München Eine Geschichte wie ein Politikrimi, und sie hat ein Happy End. Ein 72-jähriger Münchner befreit sich selbst aus der Hand von Terroristen – nach 110 Tagen. „Es geht ihm relativ gut“, sagt Rupert Neudeck zur AZ. Für Neudecks Hilfsorganisation, die „Grünhelme“, war der Ingenieur in Syrien. Jetzt ist er auf dem Weg nach Hause.

Das Drama von Ziad Nouri begint im Frühjahr. Er lebt seit Jahrzehnten in München. Er hat Familie, ist längst im Ruhestand. „Ein ruhiger Typ“, sagt Tarek Abdin-Bey. „Aber die Schrecken in Syrien haben ihn nicht losgelassen.“ Abdin-Bey, Chef des Deutsch-Syrischen Vereins in München, kennt Nouri seit Jahrzehnten: „Er wollte unbedingt helfen“, sagt er und „Ich habe mich gewundert, dass Nouri bei dieser Aktion mitmacht“.

Diese Aktion, das war der unerschrockene Einsatz von Rupert Neudecks „Grünhelmen“. Neudeck, seit seinem Einsatz für die Boat People auf dem Schiff „Cap Anamur“ eine nationale Berühmtheit, geht mit seinen Grünhelmen dahin, wo’s wehtut.

Und sie fühlten sich relativ sicher, Anfang April. Die Region um die Stadt Azaz südlich der türkischen Grenze schien befreit: „Wir wollen dort Krankenhäuser bauen“, sagte Neudeck damals zur AZ: „Wir wollen nicht tollkühn sein, sondern mutig.“

Mutig waren drei Deutsche. Bernd Blechschmidt, Simon Sauer, zwei Techniker und eben Ziad Nouri, mit 72 deutlich der älteste. Die Situation war prekär aber beherrschbar, die Menschen Freude sich über die Hilfe in einem Land, dass sich allein gelassen fühlt, und das als nächstes vielleicht Raketen geschickt bekommt.

Am 15. Mai die Wende. Die drei Deutschen werden im Ort Harem entführt. Wochenlang hört Neudeck nichts, macht sich Vorwürfe. Das BKA und das Auswärtige Amt sind eingeschaltet, verdonnern Neudeck zum Stillschweigen.

Am 7. Juli die erste gute Nachricht. Blechschmidt und Sauer können fliehen: „Die sind 14 Stunden gejoggt“, sagt Neudeck, bis sie an der syrisch-türkischen Grenze in Sicherheit waren. Nouri blieb Geisel, aber er blieb nicht untätig. „Er hat sich die Gebetszeiten der Bewacher gemerkt“, erzählt Neudeck, „und die Essenspausen“.

Am Montag nutzte er die Lücken. „Er hat eine Blechtür aufgestemmt und ist losgelaufen“, sagt Neudeck: „Dienstag um elf konnte ich endlich jubeln“. Er telefonierte mit dem Münchner in der Türkei: „Es geht ihm relativ gut, seine Stimme war stabil.“

Seine Familie in München, seine Frau, seine zwei erwachsenen Töchter, sein Sohn sind überglücklich – aber sie wollen ihren Mann und Vater erst einmal für sich. Was weiß man über die Entführer? „Nicht viel“ sagt Neudeck. „Es waren keine Syrer.“ Der Krieg, der seit Frühjahr 2011 tobt, lockt vor allem Extremisten und Terroristen ins Land – viel mehr als Helfer wie Neudeck oder Ziad Nouri. Matthias Maus

 

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