„Möbel reparieren, Leitungen verlegen — das mache ich!“

Raufen, löten, fugen: Bayerns Sozialministerin Christine Haderthauer gewährt hier Einblicke in ihre ungeahnten Talente – auch um Mädels Mut zu machen.
Interview: Michael Schilling |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
„Keine Sorge, ich habe schon gelötet“: Christine Haderthauer legt beim „Girl’s Day“ selbst Hand an. Zu Hause mache sie das auch regelmäßig, sagt sie.
ho „Keine Sorge, ich habe schon gelötet“: Christine Haderthauer legt beim „Girl’s Day“ selbst Hand an. Zu Hause mache sie das auch regelmäßig, sagt sie.

Raufen, löten, fugen: Bayerns Sozialministerin gewährt hier Einblicke in ihre ungeahnten Talente – auch um Mädels Mut zu machen.

AZ: Frau Haderthauer, der „Girl’s Day” soll Mädchen Männerberufe näher bringen – und Buben sollen sich beim „Boy’s Day” für vermeintliche Frauenberufe interessieren. Was wollten Sie denn mal werden, als Sie klein waren?

CHRISTINE HADERTHAUER: Etwas ganz Frauentypisches: Balletttänzerin (lacht).

Süß! Hat aber irgendwie nicht geklappt. Wieso nicht?

Weil ich zu groß bin, 1,78 Meter. Ich bin dann in den modernen Tanz gewechselt. Aber dann hat sich doch mein Kampf-Gen und meine Lust am Argumentieren durchgesetzt – und ich bin Anwältin geworden.

Glauben Sie, dass viele Mädchen und junge Frauen so ein Kampf-Gen in sich tragen?

Das glaube ich schon – sogar sehr viel mehr, als ihnen bewusst ist. In der Regel wird nur leider schon früh versucht, es ihnen abzugewöhnen, weil kämpfende Mädchen nicht dem vorherrschenden Rollenbild entsprechen.

Bei Ihnen war das anders?

Ich hatte ein Schlüsselerlebnis in der 4. Klasse. Da habe ich mich auf dem Pausenhof gerangelt mit dem stärksten Jungen der Schule, der uns alle oft geärgert hat. Ich weiß noch, dass die Lehrerin nur mich getadelt hat und nicht ihn. So war damals das Rollenbild: „Ein Mädchen macht so etwas nicht.” Das fand ich ungerecht.

Oh. Wer hatte den Kampf denn gewonnen?

Da hätte ich keine schlechten Chancen gehabt – aber wir wurden leider zu früh getrennt.

Was sind aus Ihrer Sicht klassische Männerberufe?

In die Medizin gehen zwar mehr und mehr Frauen. Aber nur sieben Prozent aller Elektroingenieure sind Frauen und nur elf Prozent aller Techniker.

Unter bayerischen Ministerpräsidenten ist der Frauenanteil sogar: null.

Richtig, aber das hängt an anderen Dingen. Wenn es um Macht und Geld geht, haben Männer hierzulande noch die Nase vorn, in der Wirtschaft, in der Politik, in den Medien. Fehlt die Macht, ist es für Männer nicht mehr ganz so interessant. Und fehlt das Geld, machen sie es sowieso nicht.

Mit dieser Tradition, was den Ministerpräsidenten-Job angeht, können Sie ja noch brechen.

Ich sage zu allen Frauen: Man sollte sich selber keine Grenzen setzen.

Angenommen, eine junge Frau entschließt sich, Mechatronikerin in einer Autowerkstatt zu werden: Wie reagieren wohl ihre Freundinnen?

Immer noch mit einer Mischung von Bewunderung und Skepsis. Leider. Es wird noch dauern, bis ein Männerberuf nicht mehr als ungewöhnlich gilt. Übrigens: Jedes Jahr beim „Girl's Day”, wenn ich Mädchen nach den Gründen für ihren Berufswunsch frage, sagen sie Dinge wie: „…weil es mir Spaß bringt. Weil ich's mir zutraue.” Keine einzige ist dabei, für die Verdienstmöglichkeiten ausschlaggebend waren.

Was antworten Buben?

Die sagen als erstes: „Ich suche mir den Beruf danach aus, was ich darin verdiene.” Das prägt unsere Arbeitswelt stark. Die verweiblichten Berufe werden auch deshalb schlechter bezahlt, weil für Frauen nicht in erster Linie das Gehalt zählt.

 



Dieses Verhältnis ist das wie von Henne und Ei, oder?

Das hängt mit tradierten Rollenbildern zusammen. Wir kommen aus einer Zeit, in der der Mann die Familie ernährte und die Frau die Familienarbeit leistete. Diese Rollenverteilung funktioniert heute nicht mehr, aber sie ist eben noch stark verankert. Der Bauch braucht da ein bisschen länger als der Kopf. Kaum ein junges Mädchen geht heute selbstverständlich davon aus, ihre Familie einmal allein ernähren zu müssen, die Jungs alle.

Wie lässt sich dieser Prozess beschleunigen?

Indem wir das stärker bewusst machen: Es gibt kein Naturgesetz, dass Frauenarbeit weniger wert ist als Männerarbeit. Und: Genauso wie Mädchen klasse sind in technischen Bereichen, gibt es Jungs, die in sozialen Berufen wie Erzieher oder Pfleger gut wären. Aber die sagen – zu recht: „Das ist zu schlecht bezahlt.”

Sie sind ja in Ihrem Job von vielen Männern umgeben. Können Sie sich etwa Markus Söder in der Seniorenpflege vorstellen?

Ja, absolut. Markus Söder ist ja immer für Überraschungen gut.

Aber der hat vier Kinder zu ernähren.

Deswegen hat der den Beruf ja auch nicht ergriffen. Frauenberufe werden erst dann für Männer attraktiv, wenn sie auch „männlich” entlohnt werden, wäre das eine Tätigkeit mit männlicher Tradition, wäre sie entlohnt wie ein Facharbeiter in der KFZ-Industrie.

Ich habe zwei Töchter. Was raten Sie mir mit Blick auf deren späteren Eintritt in die Berufswelt?

Trauen Sie den Mädchen alles zu, lassen Sie ihnen Raum für ihre eigene Persönlichkeit – und denken Sie sich immer mal, wie Sie mit ihnen umgehen würden, wenn sie Jungs wären. Zum Beispiel beim Benehmen: Mädchen müssen genauso auf Bäume klettern, auf den Tisch hauen oder mal so gschlampert daher kommen dürfen, wie es Jungs allgemein auch zugestanden wird. Das soll jetzt keine Anleitung zum schlechten Benehmen sein, aber ein Plädoyer für gleiche Maßstäbe.

Nun sind Mädchen und Buben nachweislich in unterschiedlichen Bereichen talentiert. Waren Sie eigentlich gut in Mathe und Physik?

In Physik nicht, in Mathe – und in Deutsch – war ich gut. Bei mir hing aber immer viel davon ab, ob ich den Lehrer mochte. Klar sind Mädchen und Jungs unterschiedlich – das macht die Welt erst interessant. Trotzdem hat es kein Beruf verdient, nur einem Geschlecht überlassen zu werden.

Was machen Sie am Girl’s und Boy’s Day?

Beim „Girl's Day” treffe ich Mädels in Erlangen beim Fraunhofer-Institut für integrierte Schaltungen. Danach bin ich zum „Boy's Day” mit Jungs in einem Kindergarten.

Integrierte Schaltungen – das klingt spannend.

Ja, da wird auch gelötet. Darauf freue ich mich schon.

Verbrennen Sie sich nicht die Finger.

Keine Sorge, ich habe schon gelötet. Ich bin am „Girl's Day” immer an Werkbänken zu finden.

Also nur einmal im Jahr.

Nee, ich bin eine gute Heimwerkerin. Lampen anschließen, Möbel reparieren, Leitungen verlegen – das mache alles ich zu Hause. Bei mir kann man was lernen.

Sie verlegen Leitungen?

Ja. Mein Mann hat deswegen immer Angst, dass in unserem hölzernen Dachstuhl mal ein Brand ausbricht (lacht). Aber in 15 Jahren ist nichts passiert.

Verlegen Sie über oder unter Putz?

Über. Das Verputzen würde ich eher meinen Mann machen lassen.

Okay. Was können Sie sonst noch so für den Fall…

...für den Fall, dass ich mal nicht mehr als Politikerin tätig sein kann?

Genau, danke. Können Sie zum Beispiel: Fliesen legen?

Zumindest Fliesen fugen, das kann ich. Und im übrigen bin ich perfekt im Böden renovieren, abschleifen, einölen, auch wachsen.

Sie meinen nicht Waxing, oder?

Nein, ich meine das richtige Wachsen. Es gibt nämlich nicht nur Öl für Holzböden, sondern auch Wachs. Ich kann Ihnen da gerne mal einen Kurzkurs geben.

 

Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.