Merkels heikle Moskau-Visite

MÜNCHEN - Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel an diesem Wochenende nach Moskau fliegt, dann trifft sie dort den neuen Staatspräsidenten – die wirklich Mächtigen im Riesenreich trifft sie nicht: und damit ist nicht nur Wladimir Putin gemeint.
Eine Reihe verschwiegener Geheimsdienstler teilen sich die Macht in Russland – und dabei geht es nicht immer friedlich zu. Manche fürchten gar einen Machtkampf in Moskau. Die Blitz-Visite bei Dmitri Medwedew zeigt, wie wichtig Merkel das Verhältnis zu Russland ist. Und dass Bundeskanzlerin Angela Merkel den Juristen schnell kennenlernen will.
Eine Karriere in Putins Windschatten
Oft heißt es, Wladimir Putin, der Ex-Präsident, werde die Fäden auch weiter in der Hand halten. Schließlich ist der Dozenten-Sohn Medwedew vom scheidenden Präsidenten handverlesen. Schließlich machte der linkisch wirkende St. Petersburger seine Karriere ganz im Windschatten Putins, schließlich hat das System Putin alles getan, um Gegenkandidaten ihre Chancen zu nehmen.
Das System Putin: Dahinter stecken Leute, die der Ex-Präsident als Geheimdienstchef kennenlernte – wie Igor Setschin. Hauptberuflich war er Putins Büro-Chef, nebenberuflich ist er Aufsichtsratschef des Ölkonzerns Rosneft. Setschin gilt als Gegner Medwedews, Putin bremste den bulligen Spion aus.
Der „Dataschen-Clan“
Setschin gehört zu den Silowiki, den „Männern aus der Sicherheit“. Diese teilen sich auf in zwei Clans, die miteinander in Dauerfehde liegen: Setschin gehört zu den „Silowiki 1“, bestehend aus Mitgliedern des Geheimdienstes FSB. Den „Silowiki 2“ untersteht die Drogenpolizei. An der Spitze steht Viktor Tscherkassow, ein Betonkopf, der im damaligen Leningrad noch Dissidenten jagte, als längst Gorbatschows Perestroika herrschte. Zum Silowiki 2-Clan soll Medwedew eine gewisse Nähe haben. Das widerspricht der Variante, Medwedew sei ein Liberaler, der Russland mehr in die Nähe eines Rechtsstaats rücken wolle.
Drittes Machtzentrum ist der „Dataschen-Clan“ um Juri Kowaltschuk. Der machte sein Vermögen mit der Gasprom-Privatisierung und wird auch „Putins Geldbeutel“ genannt. Ob und wie Medwedew die rivalisierenden Kräfte bändigt, bündelt oder ausschaltet, entscheidet sein politisches Schicksal. Und auch ganz persönlich hat er noch eine „Regierung“. Frau Svetlana Medwedewa liebt Designer-Kleider, Stilettos und tiefe Ausschnitte. Die 42-Jährige gilt als „stark und gebieterisch“ – auch gegenüber ihrem Mann.
Johannes Lieberer