Merkels Besuch in Tel Aviv : Israels Furcht vor der Wende

BERLIN/TEL AVIV - Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr halbes Kabinett besuchen Tel Aviv – und erleben eine verkehrte Welt: Während der Westen im Fall Ägypten vorsichtig taktiert, hält Netanjahu zu Mubarak.
Das Treffen war schon lange vereinbart, nun wurde es noch spannender als gedacht: Mitten in der aktuellen Nahost-Krise flog Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag mit einem Großteil ihres Kabinetts nach Israel.
Dort erwartete die Deutschen ein Land in Anspannung: Der laufende Umsturz in Ägypten macht das kleine Israel nervös – und sorgt für verkehrte Fronten. Während der Westen, auch Deutschland, eine klare Position im Kampf der Demokratiebewegung gegen das Regime Mubarak scheut, nimmt Israel klar Partei für den ägyptischen Präsidenten: „Wir hatten und haben immer noch großen Respekt für Präsident Mubarak“, sagte sein israelischer Amtskollege Schimon Peres. „Wir sagen nicht, dass alles, was er getan hat, richtig ist, aber er hat eine Sache getan, für die wir ihm dankbar sind: Er hat den Frieden im Nahen Osten bewahrt.“
Um den fürchtet Israel nun, vor allem, falls der Umsturz im Nachbarland Islamisten an die Macht führen sollte. Laut der israelischen Zeitung „Haaretz“ hat die Regierung auf ihren diplomatischen Kanälen eine weltweite Unterstützungsinitiative für den bedrängten Mubarak angeleiert. Die Botschafter in allen wichtigen Ländern der Welt seien angewiesen worden, sich an ihren jeweiligen Stationen für eine Unterstützung der ägyptischen Machthaber einzusetzen. Israel blickt nun offenbar besorgt auf die noch stabilen Nachbarregime in Saudi-Arabien und Jordanien. „Die“, so wurde ein Regierungsvertreter zitiert, „sehen die Reaktionen im Westen, wie alle Mubarak fallen lassen, und dies wird sehr ernsthafte Auswirkungen haben.“
Merkel traf mit Innenminister Thomas de Maizière und Wirtschaftsminister Rainer Brüderle und sieben weiteren Ressortchefs am Nachmittag mit Premierminister Benjamin Netanjahu zusammen.
Außenminister Guido Westerwelle war schon vorher angereist und debattierte mit seinem Amtskollegen Avigdor Lieberman, der als harter Knochen gilt. Westerwelle wagte sich auch beim Thema Ägypten am weitesten aus der Deckung. „Der Freiheitsgeist ist aus der Flasche“, sagte er über die ägyptischen Demonstranten. „Danach wird nichts mehr so sein, wie es war.“ Auch international gab es viel Druck auf Mubarak. Der britische Premier David Cameron und der Nahost-Beauftragte Tony Blair verlangten einen „ordentlichen Übergang“ im Land.
Die Kanzlerin hatte sich dagegen vorgenommen, auch Israel zu mehr Bewegung zu drängen, hieß es vor Beginn des bei Redaktionsschluss noch andauernden Treffens mit Netanjahu. Innerhalb von sechs Monaten müsse es im Palästinenser-Konflikt spürbare Fortschritte geben – das habe sich Merkel als Richtschnur vorgenommen. mue