Menschenwürdige Löhne
Die AZ-Redakteurin Annette Zoch schreibt über den Mindestlohn-Vorstoß.
Ein Friseur in Thüringen verdient 3,18 Euro pro Stunde. Eine Floristin bekommt 4,44 Euro und ein Metzger 5,50 Euro. Bei diesen Angaben handelt es sich nicht um schlimme Fälle von Lohndumping, sondern um offizielle, tariflich vereinbarte Lohnuntergrenzen.
Natürlich ist der rot-grüne Bundesrats-Gesetzentwurf auch Teil des Wahlkampfes. Das macht die Grundidee aber nicht schlechter. Denn die oben genannten Zahlen verdeutlichen, wie wichtig ein flächendeckender Mindestlohn ist.
Und sie verdeutlichen auch, wie nötig es ist, dass die Politik zumindest eine grobe finanzielle Richtlinie setzt. Denn von selbst kommen die Arbeitgeber ja offensichtlich nicht auf menschenwürdige Löhne.
Der Kompromissvorschlag der Union, Ausnahmen nach Regionen und Branchen zu erlauben, hilft nicht weiter: Im Gegenteil, er führt genau zu den immer befürchteten Ausweichbewegungen.
Unternehmer wandern dann in die Gegenden ab, wo man für seine Mitarbeiter am wenigsten zahlen muss. International ist Deutschland ohnehin einer der letzten Industriestaaten, in denen es noch keinen Mindestlohn gibt.
Sogar die USA, die für übermäßigen Arbeitnehmerschutz ja nicht gerade bekannt sind, haben eine staatlich festgelegte „minimum wage“. Klar ist aber auch: Eine Kommission, die Mindestlöhne festsetzt, muss unabhängig von der Politik agieren können.
Damit das Thema in Zukunft eben nicht mehr wahlkampf-getrieben ist.