Mehr Schutz für Sexismus-Opfer
Nach Sexismus-Skandal bei der Münchner Messe will Bayerns Justizministerin Beate Merk eine neue Regel für die Strafverfolgung.
München - Bayerns Justizministerin Beate Merk will für Opfer von sexueller Belästigung die rechtliche Situation verbessern. Künftig sollen Polizei und Staatsanwalt bei „einem besonderen öffentlichen Interesse“ auch ganz ohne Strafantrag des Opfers ein Ermittlungsverfahren gegen den Täter einleiten können – allerdings nur, wenn das Opfer selber keinen Widerspruch dagegen einlegt.
„Diese Regel werde ich ausarbeiten lassen“, erklärte Merk der AZ. Damit würde eine Hürde fallen, die viele Peiniger vor strafrechtlichen Konsequenzen bewahrt. Bisher sind die Opfer gezwungen, selbst Strafantrag zu stellen. Und das innerhalb von drei Monaten nach dem Vorfall. Die Praxis jedoch zeigt, dass viele aus Scham und Angst oft lange brauchen, um den Entschluss zu fassen, sich gegen Sexismus zur Wehr zu setzen. Dann ist die Antragsfrist von drei Monaten häufig abgelaufen.
Es soll keine Antragsfristen mehr geben
Merks Vorstoß soll dazu führen, dass die Opfer diesem Druck nicht mehr ausgesetzt sind. Die Justizministerin: „Dann gilt gar keine Antragsfrist mehr.“ Die Möglichkeit der Täter, ihre Opfer einzuschüchtern, wenn die Ermittlungen nicht ausschließlich von dessen persönlicher Anzeige abhängig sind, wird damit erheblich eingeschränkt.
Bisher fällt sexuelle Belästigung im Strafrecht lediglich unter den Begriff der Beleidigung. Merk: „Wir müssen das System, dass Sexismus wie eine stinknormale Beleidigung behandelt wird, aufbrechen.“
Auslöser für ihre Initiative ist der Sexismus-Skandal bei der Münchner Messe. Dort hat ein Top-Manager seine Assistentin jahrelang sexuell belästigt. Erst als die AZ die Vorgänge öffentlich machte, wurde er freigestellt.
Opfer stellten keinen Strafantrag
Zuvor hatten der Freistaat, der neben der Stadt München Gesellschafter ist, eine fristlose Kündigung gescheut, weil Arbeitsrechtler warnten, das Risiko vor dem Arbeitsgericht durchzufallen, sei zu groß. Stattdessen bekam der leitende Angestellte fünf Abmahnungen, die er allesamt akzeptierte. Bereits bei der Vorgängerin des Opfers war er verwarnt worden, weil er auch sie sexuell belästigt hatte.
Strafrechtliche Konsequenzen muss der Top-Manager aufgrund der aktuellen Rechtslage nicht fürchten. Die Staatsanwaltschaft kann von sich aus nicht ermitteln. Seine Opfer haben keinen Strafantrag gestellt.
Vor allem der „besonderen Situation“ von Sexismus-Opfern, die wie zum Beispiel in Arbeitsverhältnissen von ihren Tätern abhängig sind, müsse Rechnung getragen werden, fordert Merk. Gerade Arbeitgeber müssten zeigen, dass sie die Opfer ernst nehmen, die Vorwürfe konsequent aufklären und gegebenenfalls arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen.
Arbeitgeber muss was tun
„Denn sexuelle Belästigung wird leider immer noch viel zu oft als Bagatelle abgetan“, so die Justizministerin. In Betrieben gilt seit 2006 das „Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz“ (AGG). Darin ist klar definiert, was unter sexuelle Belästigung fällt. Der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, dagegen vorzugehen.
Tut er das nicht, kann der Betriebsrat – im Gegensatz zu Merks geplantem Widerspruchsrecht – sogar ohne Einwilligung des Opfers klagen, dass der Arbeitgeber tätig wird. Das Gleichbehandlungsgesetz hat damals Rot-Grün gegen den Widerstand der CSU durchgesetzt. Angela Böhm
- Themen:
- Beate Merk
- CSU
- Polizei