Mehr Rechte für Schottland nach "Nein" zur Abspaltung

Bei vielen Schotten sagte das Herz "YES" und der Kopf "NO". Nach der Ablehnung der Unabhängigkeit ist die Debatte über mehr Rechte für das ölreiche Schottland eröffnet.
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Jubel und Tränen nach der Abstimmung in Schottland.
Jubel und Tränen nach der Abstimmung in Schottland. © dpa

Bei vielen Schotten sagte das Herz "YES" und der Kopf "NO". Nach der Ablehnung der Unabhängigkeit ist die Debatte über mehr Rechte für das ölreiche Schottland eröffnet. Doch Premierminister David Cameron hat noch mehr im Sinn.

London/Edinburgh - Nach dem Nein der Schotten zur Abspaltung verspricht Cameron dem nördlichen Landesteil mehr Rechte. Die Verhandlungen über eine weitere Verlagerung von Autonomiebefugnissen nach Schottland sollen noch im November beginnen, kündigte Cameron an. Der Wortführer der Unabhängigkeitsbewegung, Ministerpräsident Alex Salmond, kündigte nach der Niederlage seinen Rücktritt als Regierungschef und als Vorsitzender der Nationalpartei SNP an.

Am Morgen hatte die Wahlleitung in Edinburgh mitgeteilt, dass 55,3 Prozent der Schotten beim historischen Referendum für einen Verbleib im Vereinigten Königreich gestimmt hatten. Damit besteht die mehr als 300 Jahre Union der Schotten mit England weiter.

Nach monatelanger intensiver Debatte war der Ausgang der Volksabstimmung im ölreichen Schottland bis zuletzt offen gewesen. Viele Verlierer zeigten sich in ersten Reaktionen enttäuscht. Sie kündigten aber zugleich ihren Einsatz für ein besseres Schottland im Vereinigten Königreich an. Bereits für Januar ist ein Gesetzentwurf geplant, der die neuen Regelungen festschreiben soll.

Noch ist unklar, welche Kompetenzen im Detail London an Edinburgh abtreten wird. Die Schotten sollen voraussichtlich in der Sozial-, Steuer- und Finanzpolitik mehr Rechte bekommen. Dazu gehören etwa die Festlegung der Einkommenssteuer. Als unwahrscheinlich gilt, dass Edinburgh künftig über die Steuereinnahmen aus der Ölförderung in der Nordsee bestimmen darf.

Die Entscheidung der Schotten war auch international mit großer Spannung erwartet worden. Ein "YES" zur Unabhängigkeit hätte große Auswirkungen auf Finanzmärkte, die Europäische Union und die Nato gehabt. "Ich hoffe, dass Großbritannien vereint bleibt", hatte US-Präsident Barack Obama auf Twitter geschrieben.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) begrüßte die Entscheidung der Schotten. "Das Wahlergebnis spricht eine eindeutige Sprache: Die Menschen wollen ein starkes Schottland in einem starken Großbritannien", sagte Steinmeier am Rande eines Besuchs bei den Vereinten Nationen am Freitag in New York. EU-Kommissionschef José Manuel Barroso betonte, das Ergebnis des schottischen Referendums sei "gut für das vereinte, offene und gestärkte Europa".

Der schottische Regierungschef Alex Salmond zeigte sich stolz angesichts der vielen "YES"-Stimmen. Mehr als 1,6 Millionen Schotten hatten sich für die Loslösung ausgesprochen. Dabei war Salmond anfangs noch für seine Idee eines Unabhängigkeits-Referendums belächelt worden.

Die Wahlbeteiligung lag mit rund 85 Prozent so hoch wie noch nie in Schottland. Allerdings war sie in den "YES"-Hochburgen niedriger als erwartet. "Das Volk hat gesprochen und das Resultat ist klar", sagte Cameron am Morgen.

Lesen Sie hier: Nein zu Schottland-Referendum und Unabhängigkeit: Die Folgen

Der britische Regierungschef kündigte an, die Föderalismus-Debatte nun auch in England führen zu wollen, dem mit Abstand größten der vier Landesteile Großbritanniens. "Genau wie Schottland separat im schottischen Parlament über seine Steuer- und Sozialangelegenheiten bestimmen wird, so sollten auch England genauso wie Wales und Nordirland in der Lage sein, über diese Dinge abzustimmen."

Die oppositionelle Labour-Partei hatte ein eigenes Regionalparlament auch für England vorgeschlagen. Der größte britische Landesteil hat als einziger bisher keine eigene, dezentralisierte Volksvertretung. Die regierenden Konservativen favorisieren jedoch eine Ausnahmeregelung für Abgeordnete in Westminster, etwa dass schottische Abgeordnete über englische Gesetze nicht im Unterhaus nicht mehr mitstimmen könnten. Dies hätte bei der gegenwärtigen Konstellation erhebliche Nachteile für die in Schottland vergleichsweise starke Labour-Partei.

Der schottische Ministerpräsident Salmond und seine Stellvertreterin Nicola Sturgeon räumten ihre Niederlage noch vor dem Ende der Auszählung aller Stimmen ein. Nur 4 der 32 Wahlbezirke - 3 in Glasgow und Umgebung sowie die Hochburg Dundee - hatten sich für die Unabhängigkeit ausgesprochen. "Ich akzeptiere das Urteil des Volkes, dass es zu diesem Zeitpunkt keine Unabhängigkeit geben soll", sagte Salmond vor Anhängern.

Die internationalen Börsen reagierten weitgehend positiv auf den Ausgang des schottischen Referendums. Es sei "der Unsicherheitsfaktor, der in den vergangenen Wochen vieles überlagert hat, vom Tisch", schrieben die Analysten der DZ Bank. Das britische Pfund reagierte mit einem Kurssprung gegenüber Euro und US-Dollar. In Frankfurt stieg der Dax in den ersten Handelsminuten um 0,53 Prozent. Am Mittag lag der deutsche Leitindex mit 0,67 Prozent im Plus.

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