Medwedew wird nichts ändern
Der Präsidentschaftswechsel in Russland ist vollzogen. Doch Menschenrechte sind durch Russland auch künftig nur dann gewahrt, wenn sie dem Machterhalt des Kreml dienen, meint der Präsident der Gesellschaft für bedrohte Völker, Tilman Zülch.
Die russische Präsidentschaft wechselt. Dmitri Medwedew folgt Wladimir Putin. Eine Woche zuvor zeigte sich der einzige chancenreiche Kandidat von Soldaten umgeben in der Garnison der motorisierten Tamanskaya Infantri-Divison in der Nähe von Moskau. Sie war an der Niederschlagung der tschetschenischen Erhebung in Grosny beteiligt gewesen.
Um den Preis von 80.000, meist tschetschenischen Menschenleben konnte Russlands autoritärer Herrscher Putin 1999 seine Macht festigen. Jetzt wird sein Wunschkandidat im Schatten des neuen Ministerpräsidenten folgen, denn der alte Präsident muss wenigstens formal abtreten. Der Genozid in Tschetschenien ist beendet, das Land scheinbar befriedet. Vor Ort herrscht einer der beteiligten Kriegsverbrecher. Der Wiederaufbau hat begonnen. Die meisten Tschetschenen haben sich der neuen Situation angepasst. Die letzten der «Rebellen» haben sich mit islamistischen Terroristen verbündet. Die islamischen Völker des Nordkaukasus - nicht nur in Tschetschenien, sondern auch in Inguschetien und Dagestan - fühlen sich vernachlässigt und diskriminiert. Auch dort formieren sich Widerstand und Gruppen, die bereit sind Terrorakte zu verüben.
Russlandfreundliche Staaten empört
Und Russland unternimmt wenig, um Menschen aus den südlichen Nachbarstaaten, mit denen man jahrzehntelang in der Sowjetunion verbunden war, zu integrieren. Russische Menschenrechtler - auch sie werden verfolgt - werfen ihren Behörden eine ausländerfeindliche Hysterie gegen Angehörige dieser Volksgruppen vor. Rechtsextreme Organisationen werden ermutigt, sich an den rassistischen Verfolgungen zu beteiligen. Allein seit Beginn dieses Jahres wurden nach Angaben des «Moskauer Zentrums für Analysen und Informationen» bereits 67 Ausländer ermordet und mehr als 550 verletzt. Diese Menschenjagd empört selbst traditionell russlandfreundliche GUS-Staaten, wie Kirgisistan und Tadschikistan.
So gibt es wenig Hoffnung auf Besserung und Integration. Die acht Jahre der Herrschaft Putins höhlten die demokratischen Institutionen Russlands systematisch aus oder manipulierten sie: Es existiert keine unabhängige Justiz, die Direktwahl der Gouverneure ist abgeschafft, die parlamentarische Opposition weitgehend gleichgeschaltet. Eine Reihe mutiger Journalisten wurde durch Mordanschläge aus dem Weg geräumt. Das «Anti-Folter Komitee des Europarates» hat Russland schon im März des vergangen Jahres öffentlich gerügt. Selbst der Leiter der weltweit geschätzten Organisation «Memorial» wurde zusammengeschlagen und ausgeraubt. «Memorial» stand und steht auch für die Bewältigung der Massenmorde des Stalinismus. Putin und sogar auch sein deutscher Adjutant Gerhard Schröder plädieren für Verdrängen und Vergessen. Es besteht wenig Hoffnung, dass sich all das mit Dmitri Medwedew ändert.
Der Politologe und Volkswirt Tilman Zülch ist Gründer und Präsident der Gesellschaft für bedrohte Völker International und Generalsekretär der GfbV Deutschland.