Massenproteste gegen Krise und Kürzungen
Bei landesweiten Protesten fordern Hunderttausende den Rücktritt von Ministerpräsident Rajoy. Bei Ausschreitungen in Madrid gibt es Verletzte
Madrid - Mit Trommeln und Pfeifen gegen Krise und Kürzungen: Hunderttausende Spanier sind am Samstag gegen die Sparpolitik der Regierung und angebliche Korruption in den Reihen der Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy auf die Straße gegangen. Viele der Demonstranten forderten den Rücktritt des Regierungschefs, der durch die Ende Januar publik gewordenen Vorwürfe jahrelanger Schwarzgeldzahlungen an ihn und andere PP-Spitzenvertreter immer mehr in die Kritik geraten ist.
Am Abend strömten etwa 100.000 Demonstranten auf die Plaza Neptuno im Stadtzentrum von Madrid. Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz, um mögliche Krawalle zu verhindern. Hunderte Polizisten riegelten das Gelände um den Kongress ab, das Unterhaus des spanischen Parlamentes. Zunächst verliefen die Proteste friedlich. Nach dem Ende der Demonstrationen kam es jedoch zu Zusammenstößen mit der Polizei, bei denen nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur EFE 40 Personen festgenommen wurden.
Einige der Demonstranten trugen Fahndungsbilder von Rajoy oder weiße Briefumschläge, die zum Symbol der geheimen Zahlungen an PP-Mitglieder geworden sind, und skandierten „Deine Umschläge, meine Kürzungen“. Auf einigen Postern war zu lesen: „Herr Rajoy, machen Sie es wie der Papst, treten Sie ab!“ Der 63-jährige Schweißer Luis Garcia, der bei der Wahl für Rajoy gestimmt hatte, sagte: „Ich mag nicht daran denken, dass er illegal Geld genommen hat, aber die offiziellen Erklärungen passen nicht zusammen.“
Spanische Medien hatten berichtet, dass Firmen, die um Regierungsaufträge buhlten, über einen geheimen Fonds des ehemaligen PP-Schatzmeisters Luis Bárcenas jahrelang Geld an die Parteivertreter gezahlt hatten. Geld, das diese in Briefumschlägen bekommen haben sollen. Mittlerweile ermittelt in dem Fall auch die Staatsanwaltschaft.
Für den Ministerpräsidenten, der durch die massiven Sparmaßnahmen der vergangenen Monate ohnehin immer weniger Popularität in der Bevölkerung genießt, bedeutete der Korruptionsskandal ein neues Umfragetief. Fast vier Fünftel der Spanier sind inzwischen unzufrieden mit der Amtsführung Rajoys, der seit 14 Monaten Regierungschef ist.
Nicht ganz so groß wie in der Hauptstadt waren die Proteste in Barcelona, Valencia, Bilbao, Sevilla und anderen Städten. Die Demonstranten wandten sich auch gegen die Einsparungen der Regierung im Bildungs- und Gesundheitssystem des Landes. Organisiert sind die Proteste unter dem Namen Bürgerflut – einer losen Bewegung, in der sich unter anderem die Gewerkschaften von Lehrern, Krankenschwestern, Ärzten, Studenten und Bergarbeitern mit Umweltschützern und kleineren politischen Parteien zusammengefunden haben. Viele Demonstranten sagten, sie hätten sich bereits bei den „Indignados“ (Empörten) engagiert, die 2011 zu Zehntausenden gegen die Sparmaßnahmen der damaligen sozialistischen Regierung demonstriert hatten.
Die Demonstrationen am Samstag fanden am 32. Jahrestag eines gescheiterten Militärputsches in Spanien statt. Die Organisatoren erklärten, dass sich Spanien derzeit einem Putsch durch Banken gegenübersehe. Diese machen sie für die Immobilienkrise und den anschließenden Sturz Spaniens in die Rezession verantwortlich.
In dieser steckt Spanien weiterhin, die Arbeitslosenquote liegt bei mehr als 26 Prozent. In einer Rede zur Lage der Nation am Mittwoch hatte Rajoy seine Landsleute zum Durchhalten aufgefordert und die Bilanz seiner Regierung verteidigt. „Wir haben die konstante Bedrohung einer unmittelbar bevorstehenden Katastrophe hinter uns gelassen und beginnen, den Weg in die Zukunft zu sehen“, sagte Rajoy in der Rede.
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