Mandelas enttäuschende Erben
Heute wählt Südafrika – und der ANC wird wieder siegen. Auch wenn der Glanz weg ist
Kapstadt - Vor genau 20 Jahren durften sie das erste Mal wählen: Südafrikas Schwarze warteten geduldig bis euphorisch in kilometerlangen Schlangen. Heute wird wieder gewählt, zum fünften Mal seit dem Ende der Apartheid – und viele Schwarze haben sich gar nicht mehr erst als Wähler registrieren lassen: Die Enttäuschung über den ANC und die Erben Mandelas ist groß.
Es gibt durchaus eine positive Seite auf der Bilanz: Drei Millionen Häuser wurden in den Townships gebaut, Strom und Wasser in die Slums gelegt, ein Sozialstaat aufgebaut, von dem heute 16 der 52 Millionen Einwohner eine Leistung beziehen, eine fortschrittliche Verfassung und ein intakter Rechtsstaat geschaffen.
Aber es gibt auch die Schattenseiten. Für manche kann der ANC nichts, weil die Erwartungen derart hoch waren, dass manche Ernüchterung folgen musste. Für andere schon. So ruhm- und erfolgreich die Bewegung für die Befreiung vom Rassismus gekämpft hatte: Das heißt nicht, dass sie dann auch ein Land auf Dauer gut managen kann. Unter Mandela selbst lief es noch gut, unter seinen Nachfolgern weniger. Viele heutige ANC-Größen gelten als korrupt und nützen die Töpfe der Macht, um sich die Taschen vollzumachen. „Wir haben nicht gekämpft, um anschließend arm zu sein“, sagt ein Parteifunktionär achselzuckend.
Allen voran Präsident Jacob Zuma. Schon bei seinem Amtsantritt liefen 700 Ermittlungen wegen ihn, überwiegend wegen Korruptionsdelikten. Gerade erst in diesem März stellte die Staatsanwaltschaft fest, dass er für den Bau seiner Residenz in Nkandla umgerechnet 23 Euro Millionen Steuergeld missbraucht hat. Zurückzahlen will er nichts.
Es gibt auch im ANC noch integre Politiker, die in ihrer Organisation bleiben, um sie von innen zu verändern, sie zurück zu alter Würde zu führen. Andere haben sich mit Grausen abgewandt, etwa der berühmte frühere Bischof Desmond Tutu. Er ruft öffentlich dazu auf, den ANC nicht zu wählen. Und sagt: „Ich bin erleichtert, dass Mandela schon tot ist – weil er diesen ganzen Mist dann nicht mehr miterleben muss.“ Auch Ex-Minister Ronnie Kasrils, ANC-Kämpfer der ersten Stunde, fordert seine Landsleute auf, seiner „hochkorrupten Partei“ einen Denkzettel zu verpassen.
Und doch besteht an einem Sieg des ANC heute kein Zweifel. Die Frage ist nur, ob er unter die psychologisch wichtige 60-Prozent-Marke rutscht. Das liegt vor allem daran, dass viele ältere Schwarze treu den ANC wählen, komme, was wolle, aus Loyalität und Dankbarkeit. Die jüngeren Schwarzen neigen zum Boykott der Wahl: Von den „Born Frees“, also die Jungen, die nach dem Ende der Apartheid geboren sind, haben sich nur 23 Prozent überhaupt ins Wählerregister eintragen lassen.
Und die Alternativen sind übersichtlich. Da gibt es zum einen die Demokratische Allianz (DA), der gut 20 Prozent prognostiziert werden. Sie steht politisch in der Mitte, in der von ihr regierten Provinz Westkap ist es in vielen Punkten, vor allem Bildung und Gesundheitswesen, deutlich besser als anderswo. Allein: An der Spitze steht eine Weiße, Helen Zille – und damit ist sie für viele nicht-weiße Südafrikaner noch immer nicht wählbar. Die ANC-Dissidentin Mamphela Ramphele wurde eigentlich zur Spitzenkandidatin gekürt, sprang aber nach 48 Stunden wieder ab.
Drittgrößte Partei dürfte die EEF von Julius Malema werden: Der linksradikale Heißsporn war nach vielen Provokationen aus dem ANC geworfen worden. Er wirbt für Verstaatlichung und hat Verfahren wegen Bereicherung am Hals, als Vorbild nennt er Robert Mugabe, Simbabwes Diktator. Er punktet vor allem bei der frustrierten Jugend.
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