London: Krieg ist für Moskau kostspielig und schädlich

Ein halbes Jahr dauert der russische Angriffskrieg in der Ukraine bereits. Nach britischen Geheimdienstinformationen ist das Fazit für Moskau negativ. Die russische Führung sieht sich dagegen im Plan.
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Ukrainische Soldaten feuern aus einem Flugabwehrgeschütz auf russische Stellungen in der Region Charkiw.
Ukrainische Soldaten feuern aus einem Flugabwehrgeschütz auf russische Stellungen in der Region Charkiw. © Andrii Marienko/AP/dpa

London - Ein halbes Jahr nach dem Beginn des russischen Kriegs gegen die Ukraine hat Großbritannien den Angreifern ein schlechtes Zeugnis ausgestellt. Die russischen Truppen kämen kaum voran, sagte Verteidigungsminister Ben Wallace dem Sender BBC Radio 4. "Russlands Fortschritte können in Metern pro Woche gemessen werden, nicht in Meilen."

Britisches Verteidigungsministerium: "Russland erwartet schweren ukrainischen Gegenangriff"

Wallace sagte, seit dem Angriff am 24. Februar seien mehr als 80.000 russische Soldaten getötet oder verwundet worden oder desertiert. "Das sind 80.000 in sechs Monaten im Vergleich zu 15.000 während eines Jahrzehnts in Afghanistan."

Menschen inspizieren zerstörte russische Militärfahrzeuge, die in der Innenstadt von Kiew aufgestellt sind.
Menschen inspizieren zerstörte russische Militärfahrzeuge, die in der Innenstadt von Kiew aufgestellt sind. © Evgeniy Maloletka/AP/dpa

Das Verteidigungsministerium betonte unter Berufung auf Geheimdienstinformationen: "Operativ leidet Russland unter einem Mangel an Munition, Fahrzeugen und Personal." Die Moral sei in vielen Teilen schlecht und die Armee erheblich eingeschränkt. Russlands diplomatische Macht sei gesunken, die langfristigen wirtschaftlichen Aussichten seien düster. "Die Donbass-Offensive macht minimale Fortschritte, und Russland erwartet einen schweren ukrainischen Gegenangriff", hieß es. Londons Fazit: "Nach sechs Monaten hat sich Russlands Krieg als kostspielig und strategisch schädlich erwiesen."

Wallace sagte, die ukrainischen Truppen seien dabei, sich in eine Position zu bringen, von der aus sie besetztes Gebiet zurückerobern könnten. "Seit Beginn hatte die Ukraine die Moral auf ihrer Seite (...), und wenn Sie sich die Moral der ukrainischen Streitkräfte ansehen, so ist sie der russischen Moral meilenweit überlegen." Die russischen Einheiten seien zudem schlecht ausgebildet.

Das britische Verteidigungsministerium veröffentlicht seit dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine Ende Februar unter Berufung auf Geheimdienstinformationen täglich in beispielloser Form Informationen zum Kriegsverlauf. Damit will die britische Regierung sowohl der russischen Darstellung entgegentreten als auch Verbündete bei der Stange halten. Moskau wirft London eine gezielte Desinformationskampagne vor.

Moskau verteidigt Angriff auf die Ukraine

Der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu verteidigte seinerseits das Vorgehen in der Ukraine. Das Land habe den Friedensplan für die Gebiete im Donbass abgelehnt, sagte Schoigu am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge vor Verteidigungsministern der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) in Taschkent. "Von Kiew, das sich geweigert hat, die Vereinbarungen von Minsk zu erfüllen, ging eine reale Gefahr für die Menschen im Donbass aus, und in der Perspektive für die Russische Föderation", sagte er.

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Die "Militäroperation" läuft Moskaus Darstellung zufolge nach Plan. "Alle Ziele werden erreicht werden", bekräftigte nun auch Schoigu. Das Tempo der Angriffe habe sich verlangsamt, das sei eine bewusste Entscheidung, um Opfer unter Zivilisten zu vermeiden. "Die Schläge werden mit hochpräzisen Waffen auf Objekte der militärischen Infrastruktur der Streitkräfte der Ukraine ausgeführt."

Einmal mehr erhob Schoigu unterdessen schwere Vorwürfe gegen westliche Staaten, die die angegriffene Ukraine militärisch unterstützen. "Die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten pumpen die Ukraine weiterhin mit Waffen voll, was die Zahl der Opfer erhöht und den Konflikt verlängert", kritisierte er.

Nato-Generalsekretär: Ukraine wird sich durchsetzen

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg ist dagegen überzeugt, dass Russland den Krieg gegen die Ukraine nicht gewinnen wird. "Die Ukraine muss sich durchsetzen, und die Ukraine wird sich durchsetzen", sagte der Norweger in einer Grußbotschaft zum Unabhängigkeitstag des Landes. Die Nato werde so lange Unterstützung leisten, wie es nötig sei.

Treffen des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu (2.v.l) und Generalstabschef Waleri Gerassimow in Moskau zu Beginn des Krieges.
Treffen des russischen Präsidenten Wladimir Putin mit Verteidigungsminister Sergej Schoigu (2.v.l) und Generalstabschef Waleri Gerassimow in Moskau zu Beginn des Krieges. © Alexei Nikolsky/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa

"Eine starke und unabhängige Ukraine ist von entscheidender Bedeutung für die Stabilität des euro-atlantischen Raums", sagte Stoltenberg. Russlands Krieg gegen die Ukraine sei "die größte Krise für Europas Sicherheit seit dem Zweiten Weltkrieg".

Zum Unabhängigkeitstag wünschte Stoltenberg der Ukraine "Stärke und Erfolg". Die ukrainischen Streitkräfte und das gesamte ukrainische Volk zeigten enormen Mut und Entschlossenheit, sagte er. Unter der Führung von Präsident Wolodymyr Selenskyj stellten sie eine Inspiration für die Welt dar.

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5 Kommentare
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  • Der wahre tscharlie am 24.08.2022 15:29 Uhr / Bewertung:

    Angeblich rekrutiert Russland jetzt auch schon Strafgefangene, weil ihnen die Soldaten ausgehen.
    Und je länger der Krieg gegen die kleine Ukraine dauert, umso sicherer wird ihn Russland "verlieren".

  • AllesBesser am 24.08.2022 18:29 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von Der wahre tscharlie

    Die große Kunst wird es dann sein, eine diplomatische Lösung zu finden die den Russen eine Möglichkeit bietet nicht völlig gedemütigt vom Felde schleichen zu müssen. Diese Lektion hat die Geschichte zu genüge gelehrt: Zeige Demut im Sieg.

  • Dr. Right am 24.08.2022 19:34 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von AllesBesser

    Putin kann den Krieg jederzeit beenden. Und er kann - das hat er bewiesen - der russischen Bevölkerung ein X für ein U vormachen, schließlich sind die Kriegsziele im Verlauf des Konflikts geändert worden, ohne dass eine Hinterfragung seitens der russischen Bevölkerung sichtbar geworden wäre. Rücksicht braucht man also nicht zu nehmen. Putin könnte einfach aufhören und das Blutvergießen beenden. Aber noch ist er nicht willens.

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