Kundus-Affäre: Jetzt gerät die Kanzlerin unter Druck
BERLIN - Die Kundus-Affäre bringt immer mehr deutsche Top-Politiker in Bedrängnis – auch Bundeskanzlerin Angela Merkel: Ihr Kanzleramt soll nur wenige Stunden nach dem tödlichen Bombardement konkrete Hinweise auf viele zivile Opfer gehabt haben – viel früher als bislang behauptet.
Laut „Spiegel Online“ ging bereits am nächsten Morgen, also am 5. September 2009, um 8.06 Uhr eine streng geheime E-Mail des Bundesnachrichtendienstes an leitende Beamte im Kanzleramt. Schon die Betreffzeile habe die Tragweite klargestellt: „Menschenmassen sterben bei Explosion in Afghanistan.“
Die Geheimdienstler funkten über den vom deutschen Oberst Georg Klein angeordneten Bombenabwurf auf zwei von Taliban entführte Tanklaster: „Das Verheerende daran ist, dass dabei zahlreiche Zivilisten ums Leben gekommen sind (Zahlen variieren von 50 bis 100“). Das Kanzleramt dementierte den Bericht gestern eilig: Bei der E-Mail habe es sich lediglich um eine „unverbindliche Erstinfo des BND“ gehandelt.
Für die Geheimdienstkoordination in der Regierungszentrale war damals der Kanzleramtschef und heutige Innenminister Thomas de Maizière verantwortlich, auf den sich jetzt ebenso fragende Blicke richten wie auf Ex-Verteidigungsminister Franz Josef Jung. Der CDU-Mann, der am Donnerstag vor dem Untersuchungsausschuss aussagte, hatte damals tagelang beteuert, es habe keine zivilen Opfer gegeben. Bis heute beharrt er darauf, dass der Luftschlag „militärisch notwendig“ gewesen sei. Damals sei „alles richtig gelaufen“, ließ Jung vor seiner Vernehmung wissen.
Die Opposition vermutet aber, dass der Minister die Folgen des Luftangriffs im Wahlkampf bewusst kleinreden und Informationen vertuschen wollte.