Krise in Portugal: Ministerpräsident droht mit Rücktritt

Lange wurde die sozialistische Minderheitsregierung in Portugal dafür gefeiert, das Land nach der Schuldenkrise zurück zu wirtschaftlichem Erfolg geführt zu haben. Aber dann kam es zunehmend zu Streiks und Demonstrationen. Jetzt droht das linke Bündnis zu zerbrechen.
dpa |
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Portugals Ministerpräsident Antonio Costa.
Miguel A. Silva/LUSA/dpa Portugals Ministerpräsident Antonio Costa.

Lissabon - Wenige Wochen vor der Europawahl bahnt sich in Portugal eine schwere Regierungskrise an. Der sozialistische Ministerpräsident Antonio Costa, der seit 2015 eine Minderheitsregierung führt, drohte am Freitagabend mit seinem Rücktritt.

Hintergrund ist ein Streit über die Lehrergehälter mit einem linken Bündnis, das Costas Koalition stützt.

Sollte das Parlamentsvotum für ein kräftiges Gehaltsplus der Pädagogen endgültig angenommen werden, sehe er sich zum Rücktritt gezwungen, sagte der 57-Jährige. Das linke Wahlbündnis "Bloco de Esquerda" sprach von einem "übereilten Ultimatum".

Medien spekulierten über eine mögliche Neuwahl vor der regulären Parlamentswahl, die am 6. Oktober stattfinden soll. Gemeinsam mit Spanien ist Portugal bisher eine der letzten Bastionen der Linken in Europa. Das Land war im Zuge der Finanz- und Schuldenkrise in Turbulenzen geraten, konnte aber früher als manch anderer südeuropäischer EU-Staat auch wieder wirtschaftliche Erfolge verzeichnen.

Costas Drohung war eine Abstimmung vorausgegangen über die im Zuge der Krisenjahre eingefrorenen Gehaltserhöhungen der Lehrer in Portugal. Laut dem Beschluss einer Parlamentskommission vom Donnerstag soll - entgegen Costas Linie - nun die gesamte Zeit, in der die Löhne nicht angepasst wurden, finanziell ausgeglichen werden. Das wären rund neuneinhalb Jahre. Bei der Abstimmung unterstützten die linken Partner nicht Costas Lager, sondern die konservative Opposition.

Nach einer mehrstündigen Krisensitzung des Kabinetts traf der Regierungschef am Freitagnachmittag mit Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa zusammen, wie portugiesische Medien berichteten. Anschließend wandte er sich in einer Ansprache an die Bevölkerung.

Die portugiesischen Lehrer hatten mit Streiks und Protesten eine Nachzahlung der ausgebliebenen Gehaltserhöhungen gefordert. Die Regierung betonte vor der Abstimmung hingegen, ein solcher Beschluss würde den Haushalt mit bis zu 800 Millionen Euro belasten, weil auch Hunderttausende andere Staatsbedienstete Ansprüche anmelden würden. Damit werde eine "Büchse der Pandora geöffnet", sagte Finanzminister Mário Centeno nach Angaben der Zeitung "Correio da Manhã".

Nach der schweren Schuldenkrise vor fast zehn Jahren hatte Portugal einen strengen Sparkurs eingeschlagen. 2018 betrug das Haushaltsdefizit nur noch 0,5 Prozent - der niedrigste Wert seit 45 Jahren. Hinzu kommen starke Wachstumsraten. Als treibende Kraft gilt Centeno, der seit Januar 2018 auch Eurogruppenchef ist. Allerdings machten die Bürger zuletzt ihrem Unmut immer vehementer Luft. Erst im April musste die Regierung wegen eines Streiks der Fahrer von Gefahrgut-Lastwagen den Energienotstand ausrufen.

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