Krieg und Spiele

PEKING. MOSKAU, TIFLIS - Olympische Spiele - jedenfalls in der Antike die Zeit, in der die Waffen schwiegen. Doch genau am Tag der Eröffnung von Peking 2008 hat der Militärkonflikt in der von Georgien abtrünnigen Region Südossetien kriegsähnliche Ausmaße erreicht. Es soll bereits über 1000 Tote geben.
Nachdem Georgien am Freitag eine Großoffensive mit Panzern, Kampfjets und Raketen gegen Südossetien gestartet hatte, verstärkte Russland seine Truppen in der Region. „Wir werden den Tod unserer Landsleute nicht ungesühnt lassen. Die Schuldigen werden gebührend bestraft“, sagte der russische Präsident Dmitri Medwedew nach Angaben der Agentur Interfax. Der georgische Präsident Michail Saakaschwili hatte die Offensive gegen die Region mit der Wahrung der territorialen Unversehrtheit seines Landes begründet.
„Der Haupttäter ist Saakaschwili“
Das russische Fernsehen zeigte den ganzen Tag das Feuer von Raketenwerfern, in der südossetischen Hauptstadt Zchinwali gingen Menschen in ihren Kellern in Deckung. Georgien erhebt seit langem den völkerrechtlich verankerten Anspruch auf die abtrünnige Region. „In der (südossetischen) Hauptstadt Zchinwali sind hunderte friedliche Bewohner gestorben. Das ist bereits der dritte Völkermord an dem ossetischen Volk, der von Georgien verübt wurde“, sagte der Präsident der nicht anerkannten Region, Eduard Kokojty. Insgesamt seien in Südossetien 1400 Menschen ums Leben gekommen, so Kokojty. Er forderte zugleich die internationale Anerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens. Unterschiedlich waren die Angaben zur Situation in der massiv beschossenen südossetischen Hauptstadt Zchinwali. Während Georgien erklärte, die Stadt eingenommen zu haben, hieß es in Russland, Georgien ziehe sich zurück aus Zchinwali.
„Der Haupttäter ist Saakaschwili“, betonte Kokojty. Tiflis hoffe, Südossetien schnell einnehmen zu können, sagte der georgische Integrationsminister, Temur Jakobaschwili. Der georgische Parlamentspräsident und frühere Außenminister David Bakradse warf Russland die massenhafte Bombardierung Georgiens mit Kampfflugzeugen vor. Bakradse verteidigte Georgiens Offensive. Tiflis habe das Recht, alle Mittel zum Schutz seines Territoriums zu ergreifen.
Moskau werde „Leben und Würde der russischen Bürger schützen, wo auch immer sie leben“, unterstrich Kremlchef Medwedew. Der russische Außenminister Sergej Lawrow warf der internationalen Gemeinschaft vor, bei der Aufrüstung Georgiens tatenlos geblieben zu sein. „Sie hat beim Masseneinkauf von Waffen die Augen zugemacht.“ Zudem hätten ausländische Ausbilder Georgien militärisch unterstützt. Lawrow warf der Regierung in Tiflis gezielte Aggression gegen Zivilisten in Südossetien vor. „Die Zahl der Flüchtlinge, die panisch ihr Leben zu retten versuchen, wächst“, sagte der Minister.
Putin kündigt von Peking aus Vergeltung an
Moskau hatte den Großteil der Bewohner von Südossetien in den vergangenen Jahren mit russischen Pässen ausgestattet. Georgien warf Russland daraufhin vor, das völkerrechtlich zu Tiflis gehörende Südossetien annektieren zu wollen. Kokojty hatte wie die ebenfalls abtrünnige Region Abchasien eine international anerkannte Unabhängigkeit nach dem Kosovo-Vorbild gefordert. Abchasien bot Südossetien Militärhilfe an. Russland hatte stets erklärt, dass die Anerkennung der ehemaligen serbischen Provinz Kosovo für die Territorialkonflikte in der früheren Sowjetunion nicht folgenlos bleiben könne.
Im antiken Griechenland, der Wiege der Olympischen Spiele, war es ein ehernes Gesetz, dass für die Zeit der Spiele alle Waffen schweigen, eine Botschaft des Friedens von Olympia ausgeht. Doch im Jahr 2008 eskaliert eine Auseinandersetzung ausgerechnet während der Eröffnungsfeierlichkeiten. Russlands Regierungschef Wladimir Putin kündigte direkt von Peking aus Vergeltung an für das georgische Vorgehen und er schickte russische Soldaten nach Südossetien. Wenige Stunden später saß er im Olympiastadion - und verfolgte mit steinerner Miene den Einzug der georgischen Mannschaft. (dpa, AP, AZ)