Krieg für den Frieden
OSLO - Ein ernster Barack Obama nimmt in Oslo den Friedensnobelpreis entgegen – und kontert Vorwürfe, er habe die Auszeichnung nicht verdient. Aber manchmal seien Kriege eben notwendig
Barack Obama wirkt sehr nachdenklich an seinem großen Tag. Als der US-Präsident am Donnerstagmittag in einer prunkvollen Zeremonie im Osloer Rathaus den diesjährigen Friedensnobelpreis entgegennimmt, demonstrieren draußen im Regen hunderte Friedensbewegte gegen die Auszeichnung für einen Mann, der soeben 30000 weitere Soldaten in den Krieg nach Afghanistan befohlen hat. Auf Plakaten, die überall in der norwegischen Hauptstadt hängen, haben sie das Obama-Motto „Change“ mit einem Fragezeichen versehen.
Obama weicht diesen Zweifeln in seiner Dankesrede vor dem Nobel-Komitee nicht aus, im Gegenteil: Er geht sofort auf die heftigen Diskussionen ein, die die Verleihung des Friedenspreises an ihn ausgelöst hat: Als US-Präsident sei er für die Stationierung tausender junger Amerikaner in einem fernen Land verantwortlich, sagt Obama nüchtern: „Einige werden töten, andere werden getötet.“ Er sei sich der „Kosten bewaffneter Konflikte“ bewusst. Trotzdem lautet die Hauptthese seiner Rede: „Krieg ist manchmal notwendig.“ Eine gewaltlose Bewegung hätte weder Adolf Hitler bezwungen noch könne sie El-Kaida-Anführer zur Aufgabe bewegen, argumentiert Obama: „Daher spielt das Instrument des Krieges eine Rolle dabei, um den Frieden zu erhalten.“
"Andere haben diese Ehre mehr verdient als ich"
Irgendwie scheint es dem Präsidenten fast peinlich zu sein, dass er den Preis nach gerade mal einem Jahr im Amt bekommt: Verglichen mit großen historischen Figuren wie Albert Schweitzer und Nelson Mandela sei das bisher von ihm Erreichte gering, räumt Obama ein. „Zudem gibt es Männer und Frauen rund um den Erdball, die im Gefängnis sitzen und geschlagen werden, weil sie nach Gerechtigkeit streben.“ Er könne denjenigen nichts erwidern, die darauf verwiesen, dass diese Menschen „die Ehre sehr viel mehr verdient haben als ich“.
Vom ersten Augenblick seiner Präsidentschaft an habe Obama versucht, ein kooperativeres Klima zu schaffen und die „Temperatur in der Welt abzusenken“, verteidigt der Sprecher des Nobel-Komitees, Thorbjörn Jagland, die Ehrung des Mannes aus Washington. Viele hätten eingewandt, der Preis für Obama sei zu früh gekommen, räumt Jagland ein. „Aber die Geschichte erzählt uns viel von verpassten Gelegenheiten.“
"Selten hat jemand die internationale Politik in so einem Ausmaß dominiert"
Betrachte man die Vielzahl der konkreten Vorschläge Obamas von der Abrüstung bis zum Klimaschutz, habe der Friedensnobelpreis auf der Hand gelegen: „Nur selten hat eine Person die internationale Politik im selben Ausmaß dominiert oder in so kurzer Zeit so viele große Veränderungen angestoßen.“
Die US-Öffentlichkeit betrachtet die pompöse Ehrung ihres innenpolitisch unter Druck stehenden Präsidenten erfreut, aber nüchtern. Obama selbst will jeden Eindruck vermeiden, er sonne sich in Europa im Glanz des Preises. Sogar das traditionelle Nobelpreisträger-Mittagessen beim norwegischen König sagte er ab. Die Begründung des Weißen Hauses für den unhöflichen Akt: „Der Präsident will sich auch in Oslo seinen Regierungsgeschäften widmen.“jox
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