Konflikt mit der Türkei: PKK gibt Auflösung bekannt

Zehntausende Menschen sind dem Konflikt zwischen der Türkei und der PKK zum Opfer gefallen. Nun gibt sie ihre Auflösung bekannt. Das lässt Beobachter hoffen - es gibt aber auch Grund zur Sorge.
von  dpa
Auflösung der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK (Archivbild)
Auflösung der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK (Archivbild) © Andreas Arnold/dpa

Nach einem jahrzehntelangen blutigen Konflikt mit dem türkischen Staat hat die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK ihre Auflösung angekündigt. Es sei beschlossen worden, die organisatorische Struktur der PKK aufzulösen und die Methode des bewaffneten Kampfes zu beenden, schrieb die PKK-nahe Nachrichtenagentur ANF. Dieser Prozess solle vom Gründer der Organisation geleitet werden, dem auf der türkischen Gefängnisinsel Imrali inhaftierten Abdullah Öcalan. 

Die Partei von Präsident Recep Tayyip Erdogan (AKP) reagierte vorsichtig optimistisch auf die Entscheidung: "Wenn der neue PKK-Beschluss vollständig umgesetzt wird und alle PKK-Unterorganisationen und illegalen Strukturen geschlossen werden, wird dies ein Wendepunkt sein", sagte Parteisprecher Ömer Celik laut der Nachrichtenagentur Anadolu. 

Die PKK war 1978 von Öcalan in der Türkei gegründet worden - hauptsächlich als Reaktion auf die politische, soziale und kulturelle Unterdrückung der Kurden in dem Land. Seit den 1980er Jahren kämpft sie mit Waffengewalt und Anschlägen für einen kurdischen Staat oder ein Autonomiegebiet im Südosten der Türkei. Inzwischen ist die PKK von der Forderung eines unabhängigen Staates abgerückt. Die PKK wird in der Türkei, in der EU und in den USA als Terrororganisation eingestuft. 

Reaktion auf Aufruf Öcalans

Die PKK reagiert mit dem Schritt nun auf einen Aufruf Öcalans, der seit 1999 in der Türkei inhaftiert ist. Im Februar hatte er die Organisation aufgefordert, die Waffen niederzulegen und sich aufzulösen. Die PKK habe die kurdische Frage an einen Punkt geführt, an dem sie auf demokratischem Wege gelöst werden könne und die PKK "damit ihre historische Mission erfüllt hat", hieß es zur Begründung der Auflösung nun von der militanten Organisation.

Zentrale Fragen sind nun, wie dieser Prozess ablaufen wird, wer die Entwaffnung beaufsichtigen und was mit den Kämpfern der Organisation geschehen wird. Laut ANF fordert die Vereinigung etwa rechtliche Garantien, um den Prozess abzusichern. Die PKK hatte ihre Auflösung zuvor daran geknüpft, dass Öcalan "in die Lage versetzt werde, unter freien Bedingungen zu leben und zu arbeiten". Dazu ist bisher aber nichts bekannt. Auch Erdogan hatte eine Freilassung strikt abgelehnt. 

Regionale Auswirkungen der Auflösung

Ein Ende der PKK dürfte Auswirkungen über die Türkei hinaus haben: Die PKK hat ihr Hauptquartier in den irakischen Kandilbergen und ist auch in Syrien und in Europa präsent. Ob alle Gruppierungen innerhalb der PKK der Entscheidung folgen werden, ist noch ungewiss. Erdogan sagte am Abend: "Wir betrachten diese Erklärung als eine Entscheidung, die alle Ableger der Organisation, allen voran im Nordirak, Syrien und Europa, umfasst."

Die Türkei hatte in der Vergangenheit etwa gefordert, dass eine Auflösung auch die syrische Kurdenmiliz YPG umfassen müsse. Ankara sieht diese als einen Ableger der PKK. Die YPG hatte sich kürzlich aber mit der neuen syrischen Regierung darauf geeinigt, sich vollständig in die Streitkräfte des Landes integrieren zu lassen - ein Schritt, der Ankaras bisherige Forderung de facto obsolet machen könnte.

Die Aussicht auf eine Auflösung der PKK hatte bei vielen die Hoffnung auf eine Lösung des Kurdenkonflikts, mehr Rechte für Kurden in der Türkei und vor allem ein Ende der Kämpfe geschürt. Laut der Denkfabrik International Crisis Group sind im Kontext des Konflikts im Laufe der Jahrzehnte bisher etwa 40.000 Menschen getötet worden. 

Zuletzt war 2013 eine Waffenruhe ausgerufen worden, der Friedensprozess scheiterte dann aber im Sommer 2015. Das türkische Militär geht regelmäßig gegen die PKK in der Türkei, im Irak und in Syrien vor. 

Der Aufruf Öcalans geht auf eine Initiative des ultranationalistischen Regierungspartners von Erdogan, der Partei MHP, zurück. Ihr Chef Devlet Bahceli, bisher eigentlich ausgesprochener Gegner einer Aussöhnung mit der PKK, hatte im Oktober eine Freilassung Öcalans ins Spiel gebracht, sollte die PKK ihre Waffen niederlegen und sich auflösen. 

Spielt auch Erdogans Bemühen um dritte Amtszeit eine Rolle?

Experten sehen dafür mehrere Gründe. Zum einen sei die PKK im Irak durch die türkischen Angriffe geschwächt. Auch in der kurdischen Bevölkerung wachse die Forderung nach einem Ende der Kämpfe. Zudem sei mit dem Gaza-Krieg, der Schwächung des Irans und des Umsturzes in Syrien in der Region ein Machtvakuum entstanden - sowohl Kurden als auch die Türkei wollten das gestalten. 

Eine nicht unwesentliche Rolle dürfte zudem Erdogans angestrebte Verfassungsänderung spielen, um erneut als Präsident kandidieren zu können. Dafür braucht er etwa die Stimmen der prokurdischen Partei.

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