Interview

"Kein Luxus-Krieg": Israelische Generalkonsulin Talya Lador-Fresher hofft auf neue Iran-Beziehung

Israels Spitzendiplomatin Talya Lador-Fresher räumt im AZ-Interview ein, dass trotz präziser Militärschläge Zivilisten im Iran "leider manchmal" getötet werden. Die Generalkonsulin drängt auf eine Neuausrichtung von "Gesamt-Nahost" – und lässt dabei eine entscheidende Frage offen.
Alexander Spöri
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Israels Generalkonsulin für Süddeutschland: Die Spitzendiplomatin Talya Lador-Fresher, sesshaft in München, ist vor allem US-Präsident Donald Trump dankbar.
Israels Generalkonsulin für Süddeutschland: Die Spitzendiplomatin Talya Lador-Fresher, sesshaft in München, ist vor allem US-Präsident Donald Trump dankbar. © imago

Talya Lador-Fresher (63) ist Israels ranghöchste Diplomatin in Süddeutschland und das Gesicht des Landes in München. Mit dem vom israelischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu befohlenen großangelegten Militärschlag gegen den Iran will ihre Nation Stärke zeigen, weil sich die Diplomatie in einer Sackgasse befindet, sagt sie im AZ-Interview.

Darüber hinaus drängt sie inzwischen auf eine politische Neuausrichtung des "gesamten" Nahen Ostens. Völkerrechtlichen Bedenken zu ebenfalls umstrittenen israelischen Militärschlägen im Gazastreifen und im Iran teilt Lador-Fresher nicht.

Bei der Auslegung des internationalen Rechts gebe es Interpretationsspielraum. Die Frage nach einer Zukunftsperspektive für das iranische Volk lässt die Diplomatin im Gespräch offen: "Das ist eine theoretische Frage, die ich aktuell nicht beantworten werde."

Generalkonsulin: "Ein Iran ohne nukleare Waffen ist ein besserer Ort für die ganze Welt"

AZ: Frau Lador-Fresher, Israel hat seine Botschaften und Konsulate auf der ganzen Welt seit dem Angriff auf den Iran geschlossen. Wie läuft der Betrieb jetzt in München?
TALYA LADOR-FRESHER: Das Generalkonsulat ist manchmal vollständig geschlossen, hin und wieder auch nur zum Teil. Wir versuchen, unseren Betrieb aufrechtzuerhalten. Es ist uns wichtig, dass Israels Stimme in Süddeutschland weiterhin Gehör findet und wir unsere Arbeit weiterführen können – soweit es mit Blick auf die Sicherheitslage möglich ist.

Israelische Rettungskräfte bei einem beschädigten Gebäude nach einem iranischen Raketenangriff.
Israelische Rettungskräfte bei einem beschädigten Gebäude nach einem iranischen Raketenangriff. © Ilia Yefimovich/dpa

Die USA haben in der Nacht auf Sonntag in den Krieg zwischen Israel und Iran eingegriffen und Atomanlagen im Iran bombardiert. Nach Angaben von US-Präsident Donald Trump wurden „entscheidende Anlagen zur Urananreicherung“ zerstört. Bisher gibt es kaum unabhängige Belege, wie erfolgreich der Angriff wirklich war. Wie sicher sind Sie sich, dass die Situation jetzt nicht außer Kontrolle gerät?
Wir leben in historischen Zeiten. Es war fünf vor zwölf. Deshalb haben wir am 13. Juni Atomanlagen und Raketeninfrastruktur im Iran angegriffen. Das Land hatte beide Kapazitäten massiv erhöht und uns bereits zweimal attackiert. Zudem ist es kein Geheimnis, dass das Mullah-Regime Israel vernichten will. Letztlich ist der Iran ohne nukleare Waffen ein besserer Ort für Israel, die Region und die ganze Welt.

Spitzendiplomatin Talya Lador-Fresher aus Israel: Mit Iran-Angriff wollen wir "Macht" zeigen

Haben Sie gar keine Sorge, dass die Lage irgendwann unumkehrbar eskaliert?
Sorgen mache ich mir immer – mit Blick auf meine Familie in Israel, die Region im Mittleren Osten und andere Länder, mit denen Israel gute Beziehungen hat. Solche Sorgen kann man haben, allerdings muss strategisch gedacht werden.

Trump war gerade noch in diplomatischen Gesprächen mit dem Iran – bis Israel angegriffen hat. Warum kam es genau in diesem Moment zur Bombardierung?
Für mich als Diplomatin sind Gespräche sehr wichtig. Wenn die andere Seite diese Diplomatie allerdings nutzt, um ihr Ziel – die Zerstörung Israels – zu realisieren, dann müssen wir Macht zeigen.

Forciert Israel einen Regimewechsel im Iran? "Gesamt-Nahost" soll sich "anders" ausrichten

Israel muss klar gewesen sein, dass die Atom-Bergfestung in Fordo nur mit bunkerbrechenden US-Bomben zerstört werden kann. Hat Israel von Anfang an darauf gesetzt, dass die USA mit eingreifen?
Es gab Diskussionen zwischen hochrangigen israelischen Politikern und Vertretern in den USA. Jetzt sind wir Präsident Trump dankbar, weil die Amerikaner die richtige Entscheidung getroffen haben. Auch europäische Länder – manche israelkritisch – haben verstanden, dass von einem nuklearen Iran eine Gefahr ausgehen würde. Wir hoffen, dass Gesamt-Nahost sich anders ausrichtet.

Eine iranische Rakete hat das Soroka-Hospital in Münchens Partnerstadt Be'er Scheva zerstört. Dort wurden Juden, Christen und Muslime gepflegt.
Eine iranische Rakete hat das Soroka-Hospital in Münchens Partnerstadt Be'er Scheva zerstört. Dort wurden Juden, Christen und Muslime gepflegt. © Tsafrir Abayov/imago

Das israelische Militär hat eigenen Angaben zufolge fast die gesamte Führung der Revolutionsgarden-Luftwaffe während einer Sitzung in einem unterirdischen Hauptquartier ausgeschaltet. Warum sind im Iran derartig präzise Schläge möglich – und in Gaza immer wieder nicht? Mittlerweile gibt es dort mehr als 60.000 Tote. Laut einem einige Monate alten UN-Bericht sind 70 Prozent davon Frauen und Kinder.
Der Krieg im Iran ist eine Zusammenarbeit unserer Geheimdienste und der Luftwaffe. Wir versuchen, dort nur militärische Ziele zu zerstören. Bilder aus Israel zeigen wiederum, dass das Mullah-Regime viele zivile Ziele wie Wohnhäuser angreift. Das ist verstörend. Das Soroka-Krankenhaus in Be’er Scheva, der Partnerstadt von München, wurde angegriffen. Es ist eine Klinik, in der Christen, Juden und Muslime gepflegt werden. Diese Zahlen zu Gaza sehen wir dagegen kritisch. Das Problem ist, dass sich die Hamas-Terroristen unterirdisch verstecken. Wenn sie unter Krankenhäusern und Schulen sind, dann ist der Kollateralschaden leider höher.

Angriffe auf Unbeteiligte: "Wir versuchen alles, damit überhaupt keine Zivilisten verletzt oder getötet werden"

Die iranische Seite spricht von mehr als 200 Toten, größtenteils Zivilisten. Am Tajirish-Platz in der Hauptstadt Teheran sind laut Amnesty International zwölf Menschen, darunter auch Kinder und eine schwangere Frau, getötet worden. Reuters und CNN dokumentieren Vergleichbares.
Wir versuchen alles – damit überhaupt keine Zivilisten verletzt oder getötet werden. Manchmal passiert das leider. Doch das ist selbstverständlich niemals unser Ziel.

Menschenrechtsexperten der UN sehen im Angriff auf den Iran einen Verstoß gegen die UN-Charta und ein „Muster“ völkerrechtswidriger Handlungen Israels.
Israel hält sich stets an internationales Recht.

Generalkonsulin: Auslegung des Völkerrechts ist "Frage der Interpretation"

Völkerrechtler bemängeln, dass für einen Angriff eine „unmittelbare Bedrohung“ vom Iran ausgehen müsste. Noch hat das Mullah-Regime allerdings gar keine Atomwaffen.
Sollen wir warten, bis die Atombombe auf uns gerichtet ist? Es gibt auch gleichermaßen Völkerrechtsexperten, die unserer Meinung sind. Das ist eine Frage der Interpretation.

Die israelische Nichtregierungsorganisation B’Tselem sagte der ARD in Tel Aviv: „Israel nutzt es aus, dass die Welt auf den neuen Krieg zwischen Israel und Iran schaut, (…) um die Kriegsverbrechen fortzusetzen, die Israel an den Menschen in Gaza begeht.“
Wir begehen keine Kriegsverbrechen in Gaza und ein Großteil der israelischen Gesellschaft ist mit dem Vorgehen im Iran einverstanden. Das Leid und die Sorgen in unserem Land sind momentan groß. Ein Luxus-Krieg ist das also ganz sicher nicht.

Israels Finanzminister will völlige Zerstörung des Gazastreifens – Generalkonsulin hofft hingegen auf baldiges Kriegsende

Wie reagieren Sie dann unter anderem auf Aussagen des rechtsextremen, israelischen Finanzministers Bezalel Smotrich, dass Gaza völlig zerstört werden soll? Er sagte auch, dass es moralisch richtig sei, Zivilisten zu Tode hungern zu lassen, bis die von der Hamas verschleppten Geiseln freigelassen werden.
Wir sorgen in Gaza dafür, dass sich der 7. Oktober nicht wiederholen kann. Das schreckliche Massaker, bei dem 1200 Israelis abgeschlachtet wurden, ist ein Trauma für die Nation. 2500 Hamas-Terroristen haben es damals durch den Zaun geschafft und 2500 sogenannte Zivilisten aus Gaza. Sie haben alle dasselbe gemacht: Häuser niedergebrannt, Menschen erschossen. Deshalb wollen wir die Hamas, die sehr stark mit dem iranischen Regime verbunden ist, zerstören. Hinzukommt: Einige Geiseln sind noch am Leben. Wenn sie freigelassen werden, wird sich die Situation wohl ändern.

Das Leid in Gaza ist groß. Laut einem Bericht der Vereinten Nationen, den die Generalkonsulin kritisiert, sind mehrheitlich Kinder und Frauen verletzt oder getötet worden.
Das Leid in Gaza ist groß. Laut einem Bericht der Vereinten Nationen, den die Generalkonsulin kritisiert, sind mehrheitlich Kinder und Frauen verletzt oder getötet worden. © IMAGO/Moiz Salhi (www.imago-images.de)

Der Krieg wäre dann vorbei?
Das hoffe und glaube ich.

Zu Smotrichs Äußerungen haben Sie allerdings jetzt gar nichts gesagt. Wollen Sie diese so stehen lassen?
Man sollte in den Blick nehmen, was Israel in Gaza tatsächlich macht und was nicht.

Auslöschung von Irans oberstem Führer Ali Chamenei? "Regimewechsel liegt in Händen des iranischen Volkes

Laut einer Quelle aus der US-Administration soll Donald Trump verboten haben, dass die Israelis den obersten Führer des Irans, Ali Chamenei, ermorden. Ging es wirklich darum, ein fremdes Oberhaupt auszulöschen?
Das iranische Regime hat all die Wünsche nach einem freien Iran leider nicht erfüllt. Es gab in Israel und Deutschland auch Demonstrationen, durch die zum Beispiel iranische Frauen stark unterstützt wurden. In der aktuellen Lage betonen wir immer wieder, dass sich dieser Krieg nicht gegen das iranische Volk richtet. Bis zur Islamischen Revolution hatten wir mit dem Iran auch gute Beziehungen. Wir hoffen, dass wir diese irgendwann wieder aufnehmen können. Ob es einen Regimewechsel gibt, liegt in den Händen des iranischen Volkes.

Wenn Chamenei die Macht verliert, dann drohen ein Bürgerkrieg und eine Situation wie im Irak 2003. Wie könnte die Perspektive für die iranischen Staatsbürger aussehen?
Das ist eine theoretische Frage, die ich aktuell nicht beantworten werde.

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Lador-Fresher.

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