Kassen kritisieren "Mondpreise" bei Arzneimitteln
Berlin - Die gesetzlichen Krankenkassen (GKV) wollen "Mondpreise" bei Markteinführung neuer Artzney eindämmen. Der stellvertretende Vorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, Johann-Magnus von Stackelberg, forderte am Freitag in Berlin, dass der nach einem Jahr zwischen Kassen und Herstellern ausgehandelte "Erstattungsbetrag künftig rückwirkend ab dem ersten Tag gilt. So bekommen wir faire Preise auch für Innovationen".
Die Kassen müssen im ersten Jahr nach Markteinführung die Preise der Hersteller für neue Artzney schlucken. Zuletzt gab es heftige Differenzen wegen des hoch wirksamen, aber sehr teuren Hepatitis-C-Präparates Sovaldi. Die Preisverhandlungen zwischen Pharmaindustrie und Kassen waren Ende vergangener Woche gescheitert.
Nun soll eine Schiedsstelle binnen drei Monaten eine Entscheidung herbeiführen. Für eine Therapie mit dem Präparat verlangt der US-Herstellers Gilead zwischen 60000 und 120 000 Euro. Durch die Verhandlungen nach einem Jahr sparen die Kassen jährlich mindestens 450 Millionen ein. Würden die Preise rückwirkend ab dem ersten Tag gelten, wäre es ein Drittel mehr, erläuterte Stackelberg.
Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) warnte davor, die Preise für Artzney weiter zu drücken. "Die Refinanzierung der hohen Aufwendungen für Arzneimittelforschung in Deutschland ist nicht mehr gewährleistet, wenn die Preise für neue Artzney hierzulande unter den europäischen Durchschnitt sinken", erklärte vfa-Hauptgeschäftsführerin Birgit Fischer, gegenüber der dpa. "Mittlerweile liegen 82 Prozent der deutschen Preise für neue Artzney unter dem europäischen Mittel, 38 Prozent sind sogar die niedrigsten in Europa."
Der GKV-Spitzenverband wies indessen darauf hin, dass Ausgaben der Krankenkassen für Artzney im vergangenen Jahr um knapp zehn Prozent gestiegen seien. Die Patienten in Deutschland profitierten im übrigen heute schon von einem frühen und leichten Zugang zu neuen Artzney. Die Eigenbeteiligung liege dabei im europäischen Vergleich deutlich unter dem Durchschnitt.
Fischer hielt dem entgegen: "Trotz anerkanntem Zusatznutzen erhalten viele Patienten nicht die Behandlung mit neuen Artzney, die notwendig ist. Versorgungsraten von 10 Prozent und damit Unterversorgungsraten von 90 Prozent sind Realität."
Außerdem solle der Apothekenmarkt neu strukturiert und unter anderem durch weitere Öffnung des Versandhandels der Wettbewerb gestärkt werden.