Kanzler-Demontage
Es gibt Kritiker, die haben sich beeindruckt gezeigt von der Performance der Kanzlerin in der Euro-Krise. Und man kann ja darüber debattieren, ob kleine Schritte nicht die richtige Taktik sind. Aber alle, die glaubten, sie wären Zeugen bei der Geburt einer großen europäischen Führungspersönlichkeit, die dürften über Merkels politische Binnenkunst maßlos enttäuscht sein.
Bestenfalls taktisch, schlimmstenfalls unredlich und erschreckend kopflos agiert die CDU-Chefin vor dem Parteitag in Leipzig. Und wieder mal blind für Herausforderungen – fast fühlt man sich an die Zeiten erinnert, als der Wiedereinstieg in die Atomkraft beschlossen wurde.Damals hat sie gesellschaftliche Grundstimmungen verkannt, wie auch jetzt beim Mindestlohn.
Einen Zustand, in dem Arbeitnehmer nicht von ihrem Lohn leben können, kann keine funktionierende Gesellschaft akzeptieren. Dass der Mindestlohn hier ein geeignetes Instrument ist, glaubt auch eine Mehrheit in der Unionswählerschaft. Wie geht Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dieser Mehrheit um? Sie versucht die Öffentlichkeit mit einem Etikettenschwindel hinters Licht zu führen, mit einem Mindestlohn, der keiner ist.
Es ist eine Sache, dass der politische Gegner schäumt. Etwas anderes, und viel gefährlicher ist es für Merkel, dass sie ihre eigenen Bataillone verprellt. Die werden ihr das nicht vergessen. Es ist ein Drama. Gerade, wo sie anfängt, Statur zu gewinnen, beginnt sich Merkel zu demontieren.
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