Kairo: „Wir lassen uns nicht mehr heimschicken“

Stacheldraht, Soldaten und die Demonstranten: Zwei Millionen Menschen fordern in Kairo das Ende von Mubarak – und diesmal schützt das Militär sie vor den Schergen.
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Demonstranten vor den Absperrungen auf dem Tahrir-Platz
Gabo Ggentur Focus / dpa report Demonstranten vor den Absperrungen auf dem Tahrir-Platz

KAIRO - Stacheldraht, Soldaten und die Demonstranten: Zwei Millionen Menschen fordern in Kairo das Ende von Mubarak – und diesmal schützt das Militär sie vor den Schergen.

In Kairo formieren sich in beispielloser Weise die Massen. Hunderttausende von Ägyptern forderten am „Tag des Abgangs“ das Ende des Regimes Mubarak. Anders als in den vergangenen zwei Tagen, wo es zu blutigen Schlachten kam, wurden sie diesmal vom Militär erfolgreich vor Angriffen von Schlägertrupps der Regierung geschützt. Bis zum frühen Abend blieb es weitgehend friedlich.   

Die Massen lassen sich nicht mehr aufhalten. Trotz Ausgangssperre, trotz der Gewalt strömten schon am Morgen zehntausende auf den Tahrirplatz; tausende hatten dort ohnehin übernachtet. Auch Verteidigungsminister Mohammed Tantawi kam, was als Signal gesehen wurde, dass die Armee die Proteste im Grundsatz billigt. Er rief der Menge zu: „Hey, Leute, es reicht. Der Mann (Mubarak) kandidiert ja nicht mehr.“ Auch Amr Mussa, Generalsekretär der Arabischen Liga, kam auf den Platz und ließ sich feiern: „Wir wollen dich als Präsidenten!“ Viele von den Demonstranten hatten Lebensmittel und Trinkwasservorräte dabei.

Dann wurde zusammen gebetet, der Imam schloss ausdrücklich die Christen mit ein. Die Armee riegelte alle Zufahrten zum Tahrir-Platz mit Stacheldraht und Panzer-Check-Points ab, um alle Ankommenden zu kontrollieren. Damit sollten bewaffnete Mubarak-Anhänger ferngehalten werden. Die Demonstranten reagierten entspannt und bildeten zum Teil dahinter eine zweite Kette von Durchsuchungen. Der Platz selbst war schon mittags überfüllt, und vor den Checkpoints warteten immer noch lange Schlangen von Menschen. Etwa zwei Millionen waren auf den Beinen.

Die Mubarak-Anhänger hielten sich vorerst zurück. Vereinzelt gab es Berichte, dass sie die Schlangen mit Steinen beworfen hätten oder Demonstranten den Weg abschneiden wollten, doch der Großteil wartete laut Augenzeugen verunsichert ab.

Mubarak selbst, dem die Opposition bis gestern ein Ultimatum zum Rücktritt gestellt hatte, schwieg. Seine Zitate vom Vorabend – er wäre ja bereit zum Abgang, doch dann versänke das Land im Chaos – interpretieren die Ägypter so, dass der alte Mann immer noch glaubt, er sei Teil der Lösung, und eben nicht Ursache der Krise. Hinter seinem Rücken verhandeln die USA bereits mit dem neuen Vizepräsidenten Omar Suleiman über Mubaraks Ende, berichtet die „New York Times“.

Wer den Kampf um die Macht gewinnt, ist noch immer schwer absehbar. Die Demokratiebewegung ist allerdings zum Ausharren entschlossen, so unterschiedlich sie ist: Muslimbrüder, junge Studentinnen mit offenem Haar, Arbeiter, Geschäftsleute. Mohammed Ali (23), ein Bauarbeiter mit blutigem Kopfverband von den Schlachten am Vortag, ist den elften Tag dabei: „Ich will einfach heiraten können und arbeiten, obwohl ich keine Beziehungen habe.“ Dina al-Dassuki (26), Studentin: „Ich war schon auf vielen Demos. Aber das ist was anderes. Wir sind zu viele. Wir lassen uns nicht mehr nach Hause schicken.“ tan

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