Japans Regierungschef Kan tritt ab

Ende eines katastrophalen Absturzes: Japans Regierungschef Naoto Kan hat seinen Rücktritt bekannt gegeben. Fukushima und seine eigene Partei brachen ihm das Genick.
dpa |
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Tokio  – Er galt einst als Hoffnungsträger, wollte den Filz des politischen Systems bekämpfen und die Macht der Bürokratie in Japan brechen. Am Ende scheiterte Naoto Kan am Machtgerangel in seiner eigenen Partei, aber auch an seinem miserablen Krisenmanagement nach der Atomkatastrophe in Fukushima.

Der 64-Jährige muss sich vorwerfen lassen, dass seine Regierung die Menschen zu spät evakuieren ließ, den Schutz der Bewohner außerhalb der Evakuierungszone lange vernachlässigt und nicht über die Gesundheitsgefahren aufgeklärt zu haben. Mancher Kritiker wirft ihm sogar vor, von den Kernschmelzen in Fukushima kurz nach dem Erdbeben vom 11. März gewusst zu haben, dies dem Volk jedoch lange verheimlicht und die reale Gefahr heruntergespielt zu haben.

Der Hoffnungsträger: "Yes, we Kan"

Dabei ruhten auf Kan, der erst seit Juni 2010 amtiert und bereits der fünfte Regierungschef seit fünf Jahren ist, einst große Hoffnungen. Bei seinem Amtsantritt kursierten T-Shirts mit dem Aufdruck „Yes, we Kan“ in Anlehnung an den Wahlkampfslogan von US-Präsident Barack Obama. Anders als viele frühere Regierungschefs entstammt Kan keiner Politikerdynastie, sondern einer einfachen Familie. Seine politische Karriere begann er in der Bürgerbewegung. Aufmerksamkeit erregte Kan, der wegen seines hitzigen Temperaments den Spitznamen „Ira-Kan“ (in etwa: Kan der Reizbare) erhielt, als er sich in seiner Zeit als Gesundheitsminister 1996 wegen eines Skandals in seinem Ministerium um HIV-verseuchte Blutprodukte mit Bürokraten anlegte. Er machte sich damit einen Namen als Verfechter von Bürgerinteressen und Transparenz in der Politik.

Kurz nach Beginn der Katastrophe in Fukushima stürmte er in die Zentrale des Atombetreibers Tepco und wetterte: „Was zum Teufel ist hier los?“ Als Premier wollte Kan das Land aus der ökonomischen Krise führen. Als er jedoch eine von Experten angesichts der hohen Staatsverschuldung für nötig erachtete Erhöhung der Verbrauchssteuer ankündigte, verlor er an Rückhalt. Seine Partei büßte ihre Mehrheit im Oberhaus ein. Von da an war er angeschlagen.

Eine letzte Bedingung

Statt gemeinsam die Natur- und Atomkatastrophe zu bewältigen, stürzte ihn seine Partei. Ein Misstrauensvotum der Opposition im Parlament überlebte er nur, nachdem er zuvor seinen Rücktritt in Aussicht gestellt hatte.

Als Bedingung für sein Ausscheiden setzte er am Ende noch ein Gesetz durch, das den Ausbau erneuerbarer Energien zulasten der Atomenergie vorsieht. Vielleicht wird man ihm das irgendwann noch mal danken.

 

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