Ist Putins Nachfolger bloß eine Marionette?
Die Kommentatoren zahlreicher Tageszeitungen schwanken zwischen vorsichtiger Hoffnung und offenen Zweifeln: Ist der Wechsel wirklich ein Wechsel oder bleibt alles beim Alten?
Corriere della Sera: «Zwischen Farce und Hoffnung»
«Ist Dmitri Medwedew, der Mann mit dem gemäßigten Auftreten und dem guten Leumund im Westen, vielleicht doch die richtige Wahl, um die nationalistische Zügellosigkeit des Chefs Putin auszugleichen? Der Wachwechsel im Kreml ist nicht nur eine Farce, sondern auch eine Hoffnung. Europa und Amerika täten gut daran, sich die Pläne Putins und Medwedews anzusehen und ohne zu große Illusionen zu überprüfen, bis zu welchem Punkt es für Moskau eine Notwendigkeit war, dieses neue Kapitel aufzuschlagen. Und sie müssten dabei dem eigentlichen Zaren sowie dem, der es dem äußeren Schein nach ist, eines deutlich machen, dass nämlich ein Russland ohne politischen Pluralismus und Informationsfreiheit niemals den Argwohn des Westens wird überwinden können.»
Tages-Anzeiger: «Die Mär von der Stabilität in Russland»
«Der gestrige Wahltag wirft ein schlechtes Bild auf das System Putin. Der scheidende russische Staatschef hat sich stets ein großes Verdienst auf die Fahnen geschrieben: Er habe Russland stabilisiert. Doch die Mär von der Stabilität wird nicht wahrer, je häufiger man von ihr spricht. Putin und sein Team sind nicht einmal in der Lage, sich einem politischen Wettbewerb zu stellen. Jetzt schon, sagen Insider, wissen die Bürokraten im Kreml nicht, wer in Zukunft ihr eigentlicher Chef sein wird - Präsident Medwedew oder Premierminister Putin. Manche befürchten, schlimmste Machtkämpfe könnten auf das Land zurollen.»
Information: «Medwedew wird sich bald von Putin befreien wollen»
«Der neue russische Präsident Dmitri Medwedew wird in der kommenden Zeit wohl erst einmal in der Hand des alten Präsidenten Wladimir Putin und dessen Regierungs-Clans bleiben. Zu dem gehören Leute aus den Sicherheitsdiensten auf der einen und liberale Juristen sowie Wirtschaftsleute aus St. Petersburg auf der anderen Seite. Aber trotz seiner weichen Augen und seines freundlichen Stils kann es keinen Zweifel geben, dass Medwedew in nicht allzu langer Zeit das Recht auf Entscheidungen unabhängig von Putin einfordern wird. Als Putin an die Macht kam, wurde auch er als Marionette an der Hand seiner Vorgängers Boris Jelzin betrachtet. Das hielt nicht lange an. (...) Medwedew wird vermutlich recht zügig die sozialen Probleme anderen überlassen und selbst die Rolle als Gesicht des Landes nach außen übernehmen. Er trägt deutlich sympathischere Züge als Putins graues und versteinertes KGB-Antlitz.»
Magyar Hirlap: «Plan erfüllt, doch was ist das Ziel?»
«Wladimir Putin, Dmitri Medwedew, Regierungschef Subkow und die Präsidenten der beiden russischen Parlamentskammern konnten sich nach der Stimmabgabe zufrieden an den Wirtshaustisch setzen, lachen und scherzen. Es lief wie geschmiert, der Plan wurde erfüllt. Der Wahrheit zuliebe sei auch noch gesagt, dass die überwiegende Mehrheit der Russen am gegenwärtigen Stand von Putins Plan nicht das Geringste auszusetzen hat. Das Problem ist nur, dass niemand weiß, was das letztendliche Ziel dieses Plans sein soll. Jetzt, wo die Wahl vorbei ist, kann auch keiner mehr danach fragen.» (dpa)