Irland erzkonservativ? Von wegen – ein Vorbild!

In Irland wird ein indisch-stämmiger, schwuler Mann Chef einer konservativen Partei und wohl auch bald Taoiseach (Ministerpräsident). And meanwhile in Germany?
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Der irische Sozialminister Leo Varadkar ist der neue starke Mann Irlands.
dpa Der irische Sozialminister Leo Varadkar ist der neue starke Mann Irlands.

Dublin - Es mag wie eine Liebeserklärung an Irland klingen: Wilde Atlantikküste, zu jeder Uhrzeit freundliche, hilfsbereite Menschen und das Bier – naja, auch dem Reinheitsgebot-verwöhnten Bayern schmeckt es nach dem dritten Pint.

Wer noch nicht dort war, hat nicht nur einen großen Fehler gemacht, sondern wird wohl vor allem einen Eindruck von der Grünen Insel aufgeschnappt haben: Irland ist erzkonservativ – die gesellschaftliche Diskussion rund um das Thema Abtreibung wird gern als Beleg herangezogen.

Doch dann das: Am Freitag hat Leo Varadkar den parteiinternen Machtkampf der irischen Fine Gael für sich entschieden und wird neuer Parteivorsitzender, zudem folgte er auf Enda Kenny als Ministerpräsident. Was in den Untiefen der Politikressorts versinken könnte, ist durchaus erstaunlich: Ein schwuler Mann mit indischen Wurzeln wird Anführer einer konservativen Partei in einem noch konservativeren Land?

Varadkar selbst sagte nach seiner Wahl: "Ich bezweifle, dass mein Vater, als er 5.000 Meilen reiste, um in Irland ein neues Zuhause aufzubauen, sich erträumt hat, dass sein Sohn eines Tages zu dessen Führer heranwachsen würde, dass er trotz aller Unterschiede gleich behandelt werden würde und dass er nach seinen Handlungen und seinem Charakter beurteilt würde anstatt nach seiner Herkunft oder seiner (Geschlechts-)Identität. Und wenn meine Wahl zum Anführer von Fine Gael eines zeigt, dann dass Vorurteile keinen Platz in diesem Land haben."

Dieses bemerkenswerte Statement mag ein geschöntes Bild der Republik Irland zeichnen und dennoch eines, das Deutschland zu denken geben sollte. Wäre nicht Katarina Barley, Tochter eines britischen Journalisten, gerade zur Familienministerin ernannt worden, würde Thomas de Maizière – dessen Familie kam im 17. Jahrhundert nach Deutschland – die Migrationserfahrungen von 20 Prozent der Menschen dieses Landes alleine auf der Regierungsbank repräsentieren.

Einige Bundesländer sehen Bayern – mal mehr, mal weniger scherzhaft – als Ausland an, doch einen Migrationshintergrund bei Kanzlerkandidaten findet man keinen – stattdessen sind die Uckermark und Würselen stets erwähnenswert. Und selbst das privateste Thema Partnerschaft bleibt genau das: ein Thema. Homosexuelle Spitzenpolitiker gibt es, aber sie zeigen es selten offen.

Betrachtet man die spöttischen, manchmal fast angeekelten Kommentare zur Beziehung zwischen Emmanuel Macron und seiner fast 25 Jahre älteren Frau Brigitte, kann man die Gründe erahnen. Zudem ist der Sprung auf den Chef-Posten der Regierung ein großer: Ob eine oder ein sich offen zur Homosexualität bekennende/r Politiker*in, gewählt werden würde, darf bezweifelt werden.

Nimmt man sich das konservative Irland als Vorbild, stellt sich die allerdings die Frage: Warum eigentlich?

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