Interview mit Heiner Geißler: "Das ist ein demokratisches Signal"

Stuttgart-21-Schlichter Heiner Geißler über seine Rolle im Konflikt, die politische Streitkultur im Land – und darüber, was er bei einem Scheitern macht
AZ: Herr Geißler, schlafen Sie gut in diesen Tagen?
HEINER GEISSLER: Natürlich, so gut wie immer. Warum fragen Sie?
Weil es hieß, Sie würden rund um die Uhr arbeiten.
Nein, das stimmt so nicht, aber natürlich arbeiten wir lange, gestern bis halb eins.
Der Hintergrund sind die fast übermenschlichen Erwartungen, die in Sie als Schlichter hier gesetzt werden.
Die Erwartungen sind zu groß. Ich bin weder der Messias noch der Papst. Wir tun unser Bestes, um die Leute teilhaben zu lassen an der Begründung oder Ablehnung dieses Projekts. Wir müssen dafür sorgen, dass es keine Fachsimpelei wird.
Messias haben Sie selbst gesagt, mächtigster Mann der Stunde. Wie gehen Sie um mit den Vorschusslorbeeren?
Damit gehe ich eben nicht um. Dafür bin ich zu jenseits vom Böse. Auch wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden, dann gehe ich zurück in die Südpfalz, schreibe wieder meine Bücher und gehe ins Gebirge zum Skifahren und Klettern. Ich will hier nur meine Pflicht erfüllen und ein anständiges Ergebnis erzielen.
Wie könnte das aussehen: Entweder es wird gebaut oder nicht. Gibt es einen anderen Kompromiss?
Jetzt warten Sie doch mal ab, was zum Schluss rauskommt. Ich weiß nicht, ob ich einen Schlichterspruch mache.
Wie verändert diese Schlichtung unsere politische Kultur?
Das finde ich schon beachtlich, so etwas hat es in der Form noch nicht gegeben, wenn Ministerpräsident, Staatssekretäre auf einer Ebene diskutieren in aller Öffentlichkeit mit Anhängern aus der Zivilgesellschaft. Das ist ein demokratisches Signal.
Überrascht Sie das Interesse an Ihrer Schlichtung? Was war denn schiefgelaufen?
In der Politik verkennt man die Weiterentwicklung der Demokratie zu einer Mediendemokratie. Die Leute sind wahnsinnig informiert, organisieren sich in Facebook. Das ist eine neue Entwicklung, und die politischen Parteien werden abgehängt.
Warum machen Sie das eigentlich?
Ich bin gebeten worden, und mich interessiert schon die Frage, wie man mehr Glaubwürdigkeit in der Politik gewinnt. Deshalb will ich einen Beitrag leisten.
Fühlen Sie sich geschmeichelt?
Ich habe andere Probleme.
Interview: M. Maus